Zum Erfolg von Jean-Michel Stoullig
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Für mich ist Erfolg nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches; ein inneres Wohlgefühl, das kommt und geht. Erfolgreich zu sein bedeutet, , sein Potential auszuleben, unabhängig von gesellschaftlicher und finanzieller Reputation. Bei unserer Weltfirma wissen die Auslandskorrespondente, daß die Karriere nicht unbedingt bergauf geht: im Ausland reift er/sie zu einer gutsituierten Persönlichkeit, verfügt über einen guten Ruf und ist gewöhnt, Umgang mit Prominenten zu pflegen. Dennoch weiß er/sie, daß er/sie nach einer Weile in die Zentrale zurück muß, um dort oft einen einfachen Redakteur mit geringer Dotierung übernehmen muß. Daher eine immanente Gespaltenheit zum Begriff Erfolg.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ich fühle mich in Wien sehr wohl, leite ein Büro mit einem multikulturellen Team und übe einen verantwortungsvollen Beruf aus, der meinen Neigungen und Qualitäten entspricht und mir zudem gestattet, täglich Neues zu lernen. Wichtig ist für mich ein Führungsstil, der die Mannschaft zusammenhält, die die individuelle Talente wahrnehmen will.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ein Korrespondent muß neugierig sein. Bereits als junger Student war ich vielseitig interessiert: am Erwerb von Sprachkenntnissen (fünf Fremdsprachen inzwischen), an Geographie und Reisen, an Kulturellem und vor allem an Menschen. Früh kristallisierte sich meine internationale Orientierung heraus. Meine Stärke liegt gewiß darin, der Außenwelt Themen gut verständlich aufbereiten und erklären zu können. Als Korrespondent einer Weltagentur, die geprüfte Tatsachen des Weltgeschehens übermittelt, bedarf es der Fähigkeit, emotionale Distanz zu allen Themen zu wahren, um so sachlich wie möglich zu berichten. Täglich aus Neuem zu schöpfen, aus einer neuen Tatsache zu lernen oder einen neuen Zusammenhang zu finden und darüber zu schreiben, ließ mich meinen Wissensstand vertiefen. Für mich stellt es weiters ein Vergnügen dar, Wörter in französischer, englischer und deutscher Sprache zu benützen und sprachliche Feinheiten anzuwenden. Mobilität und die Fähigkeit einer guten Organisation des Privatlebens sowie Durchhaltevermögen sind weitere essentielle Parameter für den Beruf eines Journalisten, der im internationalen Wirkungsbereich tätig werden will. Jedoch habe ich wegen meiner beruflichen Tätigkeit 15 mal umziehen sollen: dies stellte die Anforderung, mich immer wieder in neue Umgebungen und Kulturen einzufügen und den daraus resultierenden emotionalen Streß für mich - und insbesondere für die Familie - zu bewältigen. In den Vereinigten Staaten lernte ich zudem viel über modernes Management, das mir heute als Büroleiter von Nutzen ist.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Als Journalist ist man am glücklichsten, wenn man schreiben kann. Es nicht immer so als Büroleiter, eine Position die mit einer Managementstelle vergleichbar ist. Neben organisatorischer Stärke stellen sich auch Fragen des Marketings und der Mitarbeiterführung. Hierbei lege ich Wert auf einen respektvollen, partizipativen Umgangsstil.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Bei Reuters François Duriaud, in der Pariser Agentur inspirierte mich mein damaliger Chef Boni de Torhout, in der Funktion als hervorragender Journalist spezialisiert auf China. Auch der regionale Direktor in Washington war mir ein Vorbild.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Der steigende Konkurrenzdruck im Medienbereich äußert sich darin, daß medial ein Hang zu Spektakulärem und Flüchtigem und zwar aus finanziellen Gründen wächst. Daher eine Überbewertung des Entertainmentfaktors. Nachrichtenagenturen belastet die Konkurrenz der Cable Televisions und der neuen Medien in Form von Internet-News, wo wir jedoch eingestiegen sind. Fachliche Fundiertheit und analytische Ausgewogenheit können daher auf den Augenblick ausgerichteten Berichterstattung zum Opfer fallen. Durch rückläufiges Leseverhalten verlieren Printmedien an Bedeutung. Diese Problematik kennt man aus den USA, wo dies auf das Wahlverhalten auswirkt.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
AFP vermag Ihren Kunden (Zeitungen, Fernsehen- und Rundfunkanstalten, nationalen Agenturen, Regierungen, großen Firmen), auf allen Kontinenten genaue, schnelle Nachrichten und anschließend wertfreie Analysen des Geschehens zu liefern. Genauigkeit und Schnelligkeit in der Berichterstattung haben bei der AFP nach wie vor höchste Priorität. Alles Geschriebene wird geprüft. Tatsachenberichte durch unsere Korrespondente in jedem Land erfolgen auf Basis von rohen Fakten. Unser Nachrichtendienst in sechs Sprachen umfaßt ein breites Repertoire. Wir berichten aktuell aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur, Sport und Chronik. Die Bildberichterstattung unseres Weltfotodienstes ergänzt unser Spektrum.Wie verhalten Sie sich der Konkurrenz gegenüber? Durch Marktbeobachtung erfahren wir, worüber Mitbewerber berichten. Schnelligkeit in der Nachrichtenübermittlung und Qualität der Information sind Kriterien, die entscheiden, ob man als Nachrichtendienst der durchaus großen Konkurrenz am Markt der Weltnachrichten gewachsen ist.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Meine aus Indien stammende Ehefrau, die ich den London kennenlernte, versteht die Mobilität und Flexibilität, die mein Beruf mit sich bringt, und trägt dies mit. Es hat jedoch berufliche Probleme für ihre eigene Karriere bei der UNO gebracht. Einer meiner Söhne lernte früh, global zu denken, mein anderer Sohn vermag feste Strukturen, die eine Ortsansässigkeit bietet, mehr zu schätzen.
Wieviel Zeit verwenden Sie für Ihre Fortbildung?
Neben sprachlicher Fortbildung, bilde ich mich im Bereich Managementmethoden weiter. Ich lese acht Fachzeitschriften am Tag. Privat interessante Themenbereiche wie Kunst und Kultur bilden für mich auch eine Basis für journalistische Arbeit. Wien biete viel in der Hinsicht!
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Es liegt mir weiterhin am Herzen, internationale Organisationen, Rundfunkanstalten, Pressedienste und international interessierte Unternehmen mit unseren qualitativ hochwertigen, webfertig aufbereiteten Nachrichten- und Fotodiensten sowie topaktuellen Finanz- und Unternehmensmeldungen optimal zu beliefern.
Ihr Lebensmotto?
Womöglich „win-win“ Situationen zu fördern. Als sozial geprägter Mensch strebe ich beruflich Objektivität an und versuche neben der Meinung der Mächtigen, die verstehen, das Recht der freien Meinungsäußerung zu nützen, auch die Seite der Underdogs zu sehen.