Zum Erfolg von Ernst Müllner
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg ist für mich gleichbedeutend mit der Chance, sich in seiner Tätigkeit persönlich zu entfalten und Verantwortung für Menschen und Aufgaben - möglichst im internationalen Setup - übernehmen zu können. Im Sinne dieser Definition sehe ich mich als erfolgreich. Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Ich strebte immer das Optimum an und brachte meine eigene Kreativität in meine Tätigkeit ein. Außerdem identifizierte ich mich stets mit dem Unternehmen und handelte so, als wäre es mein eigenes. Bei der Umsetzung von Ideen und Lösungen beweise ich Willensstärke und Durchhaltevermögen, denn oft ist viel Überzeugungsarbeit nötig, und andere Problemstellungen ergeben sich erst am Weg. Das kostet Kraft und ist nicht immer einfach. Das Geschick einer Führungskraft besteht auch darin, sich das richtige Team zusammenzustellen. Im Sport, nehmen wir beispielsweise den Fußball, sind nicht die besten Spieler, sondern das beste Team erfolgreich. In manchen Funktionen benötigt man eher den Stürmer, in anderen wieder den Verteidiger.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Die Diversität der mittlerweile ungefähr 30 unterschiedlichen Themenbereiche pro Tag - ob technisches Problem, Kunden- oder Personalproblem - verlangt von mir die Fähigkeit, Informationen effizient zu verknüpfen und rasch Entscheidungen zu treffen. Das erfordert Mut, denn die Informationen sind selten ausreichend. Außerdem trage ich gerne Verantwortung, und unternehmerisches Denken begleitet meine Handlungsweise. Statt mich mit etwas zufriedenzugeben suche ich nach besseren Lösungen.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Mit 32 Jahren ernannte man mich zum Direktor bei Philips, und ich war der jüngste Direktor, den es je in Österreich gegeben hat. Für mich stellte dies eine große Wertschätzung dar, da in einem großen Konzern wie Philips Titel nicht so leicht vergeben werden.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Man ist nie alleine erfolgreich, sondern nur mit dem richtigen Team. Das Miteinander stellt ein wesentliches Erfolgskriterium dar. Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus? Primär entscheidet die Chemie, dann die fachliche Kompetenz und auch, wie gut der Bewerber im Team aufgenommen wird. In unseren Stellenbeschreibungen ist das Anforderungsprofil sehr klar definiert, und die Recruiting-Abteilung selektiert neue Bewerber vor. Die ausgewählten Bewerber werden mit dem unmittelbaren Vorgesetzten konfrontiert, meist auch mit einem möglichen Mitarbeiter. Wenn auch die Leitung der Abteilung Human Ressources und weitere Vorgesetzte die engere Auswahl getroffen haben, nehme mir eine Stunde Zeit für ein Gespräch mit dem Kandidaten. Dazwischen hat der Bewerber einige Wochen Zeit, sich das Unternehmen anzusehen und für sich selbst die Entscheidung zu fällen. Die Drop-out-Rate beträgt ungefähr zehn Prozent.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Eine einheitliche Vorgangsweise gibt es nicht, denn ein Softwareentwickler ist anders zu motivieren als ein Produktionsmitarbeiter. Mein roter Faden basiert auf Ehrlichkeit, Offenheit und Einbezug des Mitarbeiters. Wesentlich erscheint mir, dem Mitarbeiter sowohl genügend Information über die Ziele und die Unternehmensstrategie zu liefern, als auch im Sinne der Forderung und Förderung soviel Verantwortung zu übertragen, daß für eine aktive und selbständige Entfaltung genügend Raum bleibt. Unterstützt wird dies mit Fortbildung, Nachfolgeplanungen und Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung. Besonderes Augenmerk legen wir auf Mitarbeiter, die in der Karriereplanung leicht übersehen werden; wir nennen sie die goldenen Ohren und goldenen Hände, das sind Mitarbeiter, die am Shop Floor extrem viel Wissen und Erfahrung mitbringen, jedoch nie zu einer Führungsposition aufsteigen können. Um den Verlust dieser Mitarbeiter zu verhindern, der ein großes Loch hineinreißen würde, und den Wissenstransfer zu sichern, schenken wir dieser Gruppe viel Aufmerksamkeit.Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens? Als Weltmarktführer in diesem Segment planen wir unsere Strategie vier bis fünf Jahre im voraus, analog gehen wir im Bereich der Wissensweitergabe vor. Neue Märkte, neue Technologien und neue Produkte werden aufgespürt und mit den zukünftigen und gegenwärtigen Kompetenzen verglichen. Daraus erkennen wir, in welcher Zeitspanne Wissen aufgebaut werden muß, sei es innerhalb der Abteilungen oder im Bereich der Mitarbeiter. Eine strukturierte und gezielte Vorgangsweise kennzeichnet dieses internationale Unternehmen, denn die Kunden wollen genauso wissen, was wir in den nächsten Jahren anbieten können. Bei den wichtigsten Kunden informieren wir uns über deren Bedürfnisse in der Zukunft und versuchen diese mit unseren Zielen in Einklang zu bringen. Eine weitere Stärke des Unternehmens ist die Art und Weise der Industrialisierung von Produkten. Wir haben in Wien und Peking den höchstautomatisierten Fertigungsgrad, den es in dieser Industrie gibt. Wie verhalten Sie sich der Konkurrenz gegenüber? Unsere einzigartige Produktionskompetenz hebt uns ab. Die Produktion erfolgt rund um die Uhr in vollautomatisierten Anlagen. Kein Mitarbeiter kommt je mit dem Produkt in Berührung, sie sind ausschließlich für die Qualität und den Output verantwortlich. Im Jahr erzeugen wir ungefähr 400 Millionen Komponenten, im Schnitt also eine Million pro Tag.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Mit meiner beruflichen Aufgabe fühle ich mich absolut wohl, sonst wäre das enorme Leistungspensum wohl nicht zu schaffen. Die Kehrseite der Medaille ist die Einschränkung des Privatlebens, denn 40 Prozent meiner Zeit verbringe ich für meine Reisetätigkeit. Meine Familie und ich lernten im Laufe der Jahre, damit konstruktiv umzugehen. Wieviel Zeit verwenden Sie für Ihre Fortbildung? Ob Verhandlungstechniken oder den Umgang mit anderen Kulturen, 98 Prozent meiner Fortbildung passiert durch die Ausübung der Tätigkeit, der Rest über meine Teilnahme an Leadership-Programmen. Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Als Mentor in unserem Trainee-Programm betreute ich eine Reihe von jungen Menschen, denen ich meinen Erfahrungsschatz und Rat weitergab. Meine Botschaft lautete immer, selbst herauszufinden, wo die eigenen Stärken und Neigungen liegen, jedoch unabhängig von einer Zeitstruktur. Ich halte es für wichtig, sich selbst nicht mit einem Karriereplan unter Druck zu setzen, denn nur so bleibt man flexibel und bewahrt den Raum für notwendige Korrekturen im Laufe des Lebens. Jobhopping verbreitert zwar die Ausbildung, doch wirkliches Fachwissen läßt sich dabei nicht erwerben. Um Tiefe zu erreichen, muß man auch einige Jahre in einem Job verharren, um seine Core-Qualifikation auszubilden, und danach kann man in die Breite streben - wie ein Baum, der einen festen Stamm für die Krone braucht. Bei vorhandenem Leistungspotential sollte man sich auch nicht mit Mittelmäßigkeit zufriedengeben, sondern immer das Optimum anstreben.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich habe mir nie zum Ziel gesetzt, Direktor bei Philips zu werden. Meine Zielsetzung war und ist, einen Aufgabenbereich auszuüben, mit dem ich mich identifiziere, mit dem Ziel, dieser Tätigkeit so gut wie nur möglich nachzukommen. Mittelmäßigkeit ist mir zuwider.