Zum Erfolg von Anja Joachim
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
An erster Stelle steht der Spaß an der Sache, am Beruf - alles andere ist eher zweitrangig. Für mich als Wissenschaftlerin gehört aber auch die internationale Anerkennung durch andere Kollegen zum Erfolg.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ohne Wenn und Aber: Ja! Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Welcher Punkt letztlich ausschlaggebend war, daß ich in doch relativ jungen Jahren in diese Position berufen wurde, kann ich schwer sagen. Ich glaube aber, daß meine Art, wie ich mit Menschen umgehe und wie ich meine Ideen kommuniziere, viel dazu beigetragen hat. Außerdem war es von klein auf mein Berufswunsch, Tierärztin zu werden. Ab dem vorletzten Studienjahr war ich vom Fach Parasitologie sehr angetan und fasziniert. Dann kam das Forschungsprojekt in einem molekularbiologischen Labor in Australien, und ab da wußte ich, daß mich meine Karriere in die Wissenschaft führen wird. Natürlich hatte ich auch das Glück, meist zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wie begegnen Sie den Herausforderungen des beruflichen Alltags? Mit dem Mut der Verzweiflung - speziell zu Beginn meiner Tätigkeit als Vorstand an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien, weil dies für mich ja völliges Neuland war. Aber ich baute mir ein Netzwerk zu Kollegen auf, die nicht viel älter waren als ich, und stürzte mich auf meine Aufgaben. Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein? Ich persönlich finde es nicht schwieriger, was vielleicht auch an meinem burschikosen Stil liegen mag. Trotzdem mußte ich beobachten, daß Frauen manchmal weniger akzeptiert oder gar benachteiligt werden. Bei Männern werden gewisse Eigenschaften wie Aggressivität und Durchsetzungsvermögen positiv, bei Frauen hingegen sehr of negativ ausgelegt.
Ab wann empfanden Sie sich als erfolgreich?
Als ich die Dissertation abschließen konnte und meine erste Stelle bekam, war das sicherlich ein entscheidender Schritt in meiner wissenschaftlichen Karriere. Ab diesem Zeitpunkt ging es nach der langen Durststrecke des Studiums ständig bergauf - es folgten meine Berufung nach Kopenhagen, die ersten Erfolge in der Forschung, die ersten Publikationen. Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat? Nach meiner Promotion an der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurde ich in einer Gruppe von Professor Daugschies aufgenommen. Er holte mich als seine erste Assistentin, ohne mich näher zu kennen. Herr Professor Daugschies trug nicht nur auf der fachlichen, sondern vor allem auf der menschlichen Ebene sehr viel zu meiner Entwicklung bei. Führungskompetenz wird einem nicht angeboren, die muß man erlernen - und hier war er sicherlich ein Vorbild für mich.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Es freut mich besonders, wenn ich trotz meines Alters von erst 40 Jahren von Kollegen in bestimmte Fachgremien gewählt werde. In schwierigen Fragen wird Wert auf meine Meinung gelegt.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Wir sind keine Einzelkämpfer und können nur im Team arbeiten. Ohne meine Mitarbeiter wäre ich auf verlorenem Posten. Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus? Nach der beruflichen Qualifikation, aber auch Temperament, Durchsetzungsvermögen und Extrovertiertheit spielen eine Rolle. Ein Wissenschafter ist heute kein introvertierter Einzelkämpfer mehr, er muß kommunizieren, sich präsentieren und vermarkten können. Wir brauchen brillante Köpfe, die wir ausbilden und auf Dauer auch halten können. Der Mensch steht immer im Mittelpunkt, Wissenschaft findet im Kopf statt.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Natürlich gibt es auch bei uns wie in jedem anderen Betrieb hin und wieder kleine Meinungsverschiedenheiten oder Reibereien. Aber insgesamt haben wir ein angenehmes Arbeitsklima, und die Mitarbeiter fühlen sich wohl, wie sie mir in persönlichen Gesprächen auch immer wieder bestätigen. Außerdem versuche ich, die Arbeit jedes einzelnen an einem Projekt transparent zu machen und zusammenhängend darzustellen und das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Corporate Identity zu stärken. Wieviel Zeit verwenden Sie für Ihre Fortbildung? Es sind durchschnittlich fünf Prozent meiner Arbeitszeit, die ich für Fortbildung, Kongresse und Erfahrungsaustausch mit Kollegen aufwende.Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Mir wurde die wissenschaftliche Karriere mit diversen Argumenten ein wenig madig gemacht, die sich dann allesamt als falsch herausgestellt haben. Daher sollte man sich nicht abschrecken lassen von irgendwelchen Trends, deren Lebensdauer niemand kennt. Entscheidet euch für eine Richtung, die euch Spaß macht und wo ihr Talent mitbringt - sonst endet ihr im Mittelmaß, und das kann niemanden glücklich machen. Wir würden uns viel mehr Leute wünschen, die sich für Wissenschaft und Forschung in der Veterinärmedizin interessieren. Potentielle Kandidaten werden gerne von uns beraten.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Das Institut ist ja noch im Aufbau, und die internationale Wahrnehmung, zu welchen Leistungen wir hier imstande sind, ist noch etwas gedämpft. Dies zu verbessern ist eines meiner wichtigsten Ziele in nächster Zukunft. Mein Vertrag mit der Universität in Wien läuft 2008 aus, aber ich hoffe, daß er verlängert wird. Und die Chancen dafür stehen gut.
Ihr Lebensmotto?
Das Leben ist wie ein Fluß. Hört man auf zu rudern, treibt man zurück.