Zum Erfolg von Claudia Tichy-Wagner
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Für mich ist Erfolg immer ein Anstoß, noch mehr zu leisten. Ist beispielsweise meine Ordination voll und sind die Patienten zufrieden, spornt mich das an, noch mehr als 100 Prozent zu geben. Daher mache ich jetzt auch eine Homöopathie-Ausbildung, um meine Patienten noch besser betreuen zu können. Neben diesem beruflichen Erfolg gibt es noch den Erfolg in der Familie. Wenn dort alles harmonisch abläuft und die Organisation funktioniert, wenn genügend Zeit für gemeinsame Aktivitäten und etwas Lebensqualität bleibt, sehe ich das ebenfalls als Erfolg. Und das ist nicht immer einfach, auch weil mein Mann in einer hohen Managementposition tätig und somit beruflich stark engagiert ist. Für mich ist Erfolg nicht an Geld und Einkommen gekoppelt, sondern an die eigene Zufriedenheit.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ja, ich wollte schon als kleines Mädchen Kinderärztin mit eigener Praxis werden, verheiratet sein und zwei Kinder haben. All das habe ich erreicht. Auch an der ständig wachsenden Zahl der Patienten merke ich, daß ich erfolgreich bin. Für mich ist entscheidend, daß meine Patienten, also wirklich die Kinder und nicht deren Eltern, zufrieden sind. Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Ich hatte eine schwierige Kindheit mit einem strengen Vater, der größten Wert auf Disziplin und Beherrschung legte. Erfolg in der Schule und gute Noten waren extrem wichtig, sportliche Erfolge zählten nicht. Ich war bis zu meinem 17. Lebensjahr in der Volleyball-Vereinsmannschaft aktiv und mit einigen Meistertiteln auch sehr erfolgreich. Das war mein Ausgleich zum strengen Elternhaus. Heute kommen mir Disziplin und Ehrgeiz, wie sie mir vom Vater abverlangt wurden, im Beruf sehr zugute. Der Beruf als Kinderärztin ist für mich Berufung, und es ist eine Gottesgabe, daß mich die Kinder anlachen und glücklich sind. Ich liebe Kinder, und auch zu Hause gebe ich alles, damit meine beiden Sprößlinge eine glückliche Kindheit haben. Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein? Der Start mit der eigenen Praxis war sehr schwierig und stressig, da ich ja zwei kleine Kinder zu Hause hatte. Ohne Unterstützung durch meine Mutter und ein Kindermädchen hätte ich diese Zeit nicht bewältigt. Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat? Herr Primarius Haas aus Schwarzach/St. Veit war der beste Chef, den ich je hatte - ein Vorgesetzter, wie man ihn sich nur wünschen kann. Er war in jeder Hinsicht mein Vorbild, nicht nur, was das Fachwissen betrifft, sondern auch in puncto Personalführung und Umgang mit den Patienten.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Ich empfinde es als wunderbare Anerkennung, wenn meine kleinen Patienten Vertrauen zu mir fassen und sich ohne Zögern oder Geschrei auf meinen Schoß setzen und sich abhorchen lassen. Ich habe ein amikales Verhältnis zu den Kindern und werde eher als Freundin und nicht als böse Frau Doktor gesehen, die ihnen weh tun wird.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Offiziell ist die Praxis 25 Stunden pro Woche geöffnet, de facto arbeite ich aber mindestens 40 Wochenstunden, weil der Patientenandrang so groß ist. Das läßt aber noch immer genügend Freizeit am Wochenende, in der ich mich in erster Linie den Kindern und der Familie widme. Wir unternehmen sehr viel gemeinsam, und bei diesen Aktivitäten mit der Familie tanke ich auch wieder Kraft. Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Ich halte eine breite Bildung und Ausbildung für extrem wichtig. Kinder sollten vielseitig, von Sport bis Kultur, interessiert sein, und die Eltern müssen diese Interessen nach Möglichkeit fördern. Erfolg ist nur von Dauer, wenn man kein Fachidiot ist. Eine breit gefächerte Bildung formt eine offene Persönlichkeit, Menschenkenntnis und Sensibilität.