Zur Karriere von Günter Heinz Kratochvil
Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Es war in der Nachkriegszeit extrem schwierig, einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. Mein Vater empfahl mir dann, Werkzeugmacher zu lernen, da sein Schulkollege in diesem Beruf selbst in den Zeiten der schwersten Wirtschaftskrise niemals arbeitslos war. Für diesen Tip bin ich ihm noch heute dankbar. So absolvierte ich die Berufsausbildung zum Werkzeugmacher für Schnitt-, Stanzen- und Vorrichtungsbau (heute Mechatroniker) und beendete die Berufsschule als Jahrgangsbester mit Diplom des Stadtschulrates von Wien. Nach erfolgreichem Abschluß der Lehre war ich weiterhin in meinem Lehrbetrieb tätig, besuchte aber nach meinem regulären Arbeitstag die Werkmeister-Abendschule am TGM Wien, Fachrichtung Maschinenbau, die ich ebenfalls als Jahrgangsbester beendete. Schließlich legte mir mein damaliger Chef nahe, mich nach einer anderen Stelle umzusehen, da meine außergewöhnlichen Leistungen bei den alten, eingefleischten Gesellen zu einiger Unruhe führten. Ich bewarb mich dann aufgrund einer Zeitungsannonce zur Ausbildung als Wartungstechniker für Lochkartenmaschinen und Elektronenrechenmaschinen, ein sehr früher Vorläufer des heutigen IT-Technikers. Es gab rund 350 Bewerber, die Aufnahmsprüfungen fanden an drei Wochenenden statt. Drei Leute wurden aufgenommen, ich war einer davon und durfte in Paris in den Jahren 1957/58 die Fachschule für elektronische Datenverarbeitung, am Beginn dieses neuen Berufszweiges besuchen. Vier Wochen vor Ende der halbjährigen Ausbildung bekam ich eine akute Blinddarmentzündung und wurde ins Spital eingeliefert. In dieser Nacht war eine Operation nicht mehr möglich, man legte mir Eisbeutel auf, was meine Leber stark schädigte. Ich war zehn Tage im Krankenhaus, nahm etliche Kilo ab und wurde schließlich nach Österreich auf Erholung geschickt, wo mir auch gleich der Blindarm entfernt wurde. Nachdem ich also die Ausbildung im EDV-Bereich nicht abschließen konnte, mußte ich mich beruflich neu orientieren. Auf Empfehlung eines Kollegen im Turnverein, dessen Vater eine Baufirma im Bereich Tief- und Oberbau hatte, wechselte ich dann ins Baufach. Dieser Vater, also mein Chef, meinte beim Einstellungsgespräch, daß ich hart arbeiten müsse und er mir nach drei bis fünf Jahren sagen würde, ob ich für diesen Beruf geeignet sei. Nach fünf Jahren gab es jedoch noch immer keine Reaktion seinerseits. Die Firma wurde von einem Einzelprokuristen geleitet, und ich vermute, daß dieser meine Konkurrenz fürchtete. Da es in diesem Unternehmen also für mich offenbar kein berufliches Vorankommen gab, entschied ich mich, die Baumeisterausbildung zu absolvieren. Ich besuchte nebenberuflich die erforderlichen Kurse und Schulungen, legte alle Prüfungen erfolgreich ab, und 1966 wurde mir die Baumeisterkonzession erteilt. Danach bewarb ich mich bei einem Bauunternehmen in Vorarlberg und wurde auch sofort genommen. Dort wurde ich nach einigen Praxisjahren mit der Gesamtleitung einiger Großbaustellen betraut. Eines dieser Projekte war der Generalumbau der Gemeinde Lech am Arlberg mit Errichtung der Ortswasserversorgung mit Hochbehältern und Filterstation, der Ortskanalisation und Vorbereitung der Kläranlage, Verbreiterung der Ortsdurchfahrt, Ausführung der Lech-Überbauung im Ortsgebiet und vieles mehr. Während dieser Zeit war ich im Winter nach Bregenz abgestellt, wo ich beispielsweise den Planungsentwurf des Autobahnknotens Lochau beim Pfändertunnel, der auch ausgeführt wurde, zeichnete. Danach errichtete ich als Bauleiter das Erholungsheim des Deutschen Gewerkschaft „Bausteine-Erden“ auf der Turracherhöhe. Einige Jahre später war ich an der Einführung von Kunststoffen im Bauwesen in Österreich wesentlich beteiligt. So verklebte ich als erster Baumeister des Landes Eisenbahngleise in speziell entwickelter Konstruktionsart auf Spannbetonbrücken mit Kunstharzmörtel. Weiters führte ich elastische Kunststoffdichtungsmassen und Spezialprofile für funktionierende Fugenabdichtungen im Fertigteilbau ein. Die Liste der Innovationen und neuen Verfahren, die ich entwickelte oder in Österreich einführte, läßt sich beliebig fortsetzen. Es wurden mir auch zwölf österreichische Patente mit bestätigtem volkswirtschaftlichem Wert aufgrund meiner fachlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit erteilt. Im Laufe meiner Karriere machte ich mich dann selbständig, wurde immer mehr zum Spezialisten für Bauabdichtung, Brückenübergangskonstruktionen und Brückenerhaltung. Unter anderem plante und führte ich komplizierte Bauwerksabdichtungen im Grundwasserbereich bei Großbauvorhaben aus - dazu zählen Projekte wie das AKH in Wien, der TGM-Neubau in Wien oder das größte Einkaufszentrum in Budapest. Außerdem hielt ich zahlreiche Vorträge zu diesen Themen. Nach wie vor bin ich als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger im Bauwesen tätig, und darüber hinaus Berater und Mitglied in diversen Fachverbänden und Expertengruppen.