Zum Erfolg von Susanne Weigelin-Schwiedrzik
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Ich bin wie viele Wissenschaftler ein Mensch, der sich die Erfolgslatte relativ hoch legt, wobei es mir aber nicht unbedingt um Ehrungen, Titel oder Positionen geht. Ich möchte vielmehr in meinem Fach, der modernen Chinaforschung, einen Beitrag leisten, der mich selbst in der Erkenntnis weiterbringt und der auch von anderen Menschen als wichtig erachtet wird.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ich weiß, daß es viele Menschen auf der Welt gibt, die meine Forschung für wichtig halten, und als Professorin kann ich den Studierenden zu ihrem Abschluß verhelfen. Außerdem habe ich es geschafft, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Unter all diesen Aspekten sehe ich mich als durchaus erfolgreich.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ich verfüge über ein recht gutes Organisationstalent, was sicherlich mit ein Grund ist, warum ich seit über 20 Jahren auch immer wieder in der Wissenschaftsadministration tätig bin. Ich habe dieses Spektrum meiner Arbeit in verschiedenen Funktionen von der Pike auf gelernt. Auch im privaten Bereich mit drei Kindern parallel zur Universitätskarriere mußte ich meine organisatorischen Fähigkeiten ausspielen. Ein zweiter Erfolgsfaktor sind meine gut entwickelten sozialen Kompetenzen - ich kann sowohl mit den Studierenden als auch mit meinen Mitarbeitern gut umgehen. Außerdem habe ich ein anerkanntes pädagogisches Talent, das ich nicht nur in die Erziehung meiner Kinder investierte, sondern auch in die Heranbildung einer großen Zahl von Studenten und Doktoranden. Einige meiner früheren und jetzigen Mitarbeiter wurden bereits in wichtige Funktionen an andere Universitäten berufen, und darauf bin ich ebenfalls sehr stolz. Ich habe ein Gespür für besonders talentierte Menschen.
In welcher Situation haben Sie erfolgreich entschieden?
Die Grundsatzentscheidung, nicht Musik, sondern Sinologie zu studieren, war sicherlich erfolgreich und richtig. Ich hatte den Mut, meinem Erkenntnisinteresse zu folgen und mich auf die Erforschung des modernen China zu konzentrieren, was damals in den siebziger Jahren in meinem Umfeld fast Mitleid auslöste. Diese frühe Entscheidung mit etwa 16 Jahren hat mir aber in weiterer Folge doch sehr geholfen, weil ich verschiedene Positionen in sehr jungen Jahren erreichen konnte. Die zweite wichtige Entscheidung meines Lebens war, meinen Mann zu heiraten und eine Familie mit drei Kindern zu gründen. Es ist nicht selbstverständlich, daß ein Mann die Karriere seiner Frau als Universitätsprofessorin akzeptiert und unterstützt, ohne selbst Professor zu sein. Nicht zuletzt habe ich erfolgreich entschieden, indem ich von der gut beleumundeten Universität Heidelberg wegging und dem Ruf nach Wien folgte. Es war eine riskante Entscheidung, weil das Institut für Sinologie in Wien damals nicht besonders gut aufgestellt war. Trotzdem war sie aus heutiger Sicht richtig, weil ich hier in der Forschung wesentlich aktiver sein kann als früher.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Im europäischen Vergleich ist das Institut in Wien von seiner Ausrichtung her ungewöhnlich, weil wir drei Professuren haben, die auf das moderne Asien ausgerichtet sind. Das gibt es sonst nur in England. Inzwischen bekamen wir sogar eine vierte Professur für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens dazu, was im europäischen Kontext einmalig ist. Außerdem sind wir einzigartig, weil wir 2000 zu den ersten in Kontinentaleuropa gehörten, die einen Bachelor- und Master-Studiengang eingerichtet haben. Sehr selten im europäischen Raum ist auch Chinesisches Recht als einer unserer Forschungsschwerpunkte. So gesehen hat unser Institut in den letzten Jahren ein besonderes Profil erarbeitet, was auch in dem starken Zulauf von Studierenden aus dem Ausland zum Ausdruck kommt. Schließlich studieren rund 200 junge Chinesen, die in Österreich aufgewachsen sind, bei uns. Dadurch erfüllen wir auch eine wichtige Integrationsaufgabe.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Ich habe gemeinsam mit meinem Mann und fast ohne fremde Hilfe unsere drei Söhne großgezogen. Wir teilten uns die Zeit so ein, daß einer von uns beiden immer bei den Kindern war. Jetzt ernten wir die Früchte einer doch sehr intensiven beruflichen und familiären Aktivität, unsere Kinder bestreiten ihr Leben bisher höchst erfolgreich.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Bei der Auswahl des Studienfaches sollte man nicht nach den Kriterien des Arbeitsmarktes gehen, sondern ausloten, was einen wirklich interessiert - nur bei wahrem Interesse kommen Höchstleistungen zustande. Der zweite Tip an alle Studierenden: Setzt euch in jedem Fall mit Asien auseinander! Nicht zuletzt möchte ich den Frauen mit auf den Weg geben, daß man neben der beruflichen Karriere auch mit Kindern und einer Familie eine ganz besondere Befriedigung erlebt. Diese Befriedigung macht eine Frau stark, um auch im Beruf besondere Erfolge zu erzielen und leitende Funktionen zu übernehmen.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Mein derzeit wichtigstes berufliches Ziel ist es, ein Buch zu schreiben, in dem ich meine bisherigen Erkenntnisse über China in zusammengefaßter Form der Öffentlichkeit näherbringen möchte. Die Arbeit daran habe ich bereits aufgenommen. Im Privatleben wünsche ich mir, daß unsere beiden großen Söhne ihr Studium erfolgreich abschließen und sich für eine Tätigkeit entscheiden, die sich wirklich interessiert, und nicht einen Beruf wählen, der im Augenblick am meisten Geld bringt.
Ihr Lebensmotto?
Es gibt einen zentralen Begriff, den ich mir gerade angesichts meines Erfolges immer wieder vor Augen führe: Demut!