Zur Karriere von Johann Graßmann
Welche waren die wichtigsten Stationen Ihrer Karriere? Die Volks- und Hauptschule besuchte ich in Wilhelmsburg und absolvierte anschließend die dreijährige landwirtschaftliche Fachschule in Pyhra. Die Praxisjahre verbrachte ich am elterlichen Hof, der sich mit Rinderzucht beschäftigt. Im Jahre 1982 bestand ich die landwirtschaftliche Facharbeiterprüfung, und zwei Jahre später legte ich die Prüfung zum Landwirtschaftsmeister ab. Im gleichen Jahr heiratete ich und arbeitete gemeinsam mit meiner Frau am landwirtschaftlichen Betrieb meiner Eltern mit. Meine Frau und ich übernahmen 1991 den Familienbetrieb und begannen 1992 einen neuen, modernen Laufstall für Milchkühe zu bauen. Im Frühjahr 1993 stellten wir dieses Projekt fertig, das uns arbeitswirtschaftlich sehr entlastete, und so für uns Arbeitskapazität frei wurde. Wir begannen uns auch mit der zukünftigen europäischen Entwicklung in der Landwirtschaft zu beschäftigen und besuchten viele landwirtschaftliche Betriebe im EU-Raum. Durch diese Erfahrung gewannen wir Einblick in die zukünftige Entwicklung der Landwirtschaft in Europa. Zum damaligen Zeitpunkt überlegten wir schon, wie wir unseren Familienbetrieb, in der Größenordnung von etwa 25 bis 30ha landwirtschaftliche Nutzfläche (Wiesen, Äcker gemischt), und 20 Milchkühe mit der weiblichen Nachzucht, existentiell absichern können. Aufgrund der Tatsache, daß bei den EU Beitrittsverhandlungen für Österreich eine relative geringe A-Quote (nur Molkereiverkauf) aber eine im EU Vergleich verhältnismäßig große D-Quote (Direktverkauf an den Handel und Konsumenten) ausverhandelt wurde, konzentrierten wir uns auf eine Betriebsentwicklung in der D-Quote. Wir betrieben daher Marktforschung und fanden heraus, daß z.B. die Versorgung der Schulen mit Milchprodukten (Milch, Kakao und Joghurt) durch Rationalisierungsmaßnahmen der Molkereien bzw. deren Zusammenlegungen nicht mehr zur Zufriedenheit der Schulen erfolgte. Im Herbst 1993 erarbeiteten wir gemeinsam mit zwei weiteren Bauern ein Konzept zur Schulmilchversorgung in unserem Nahbereich. Gemeinsam mit zwei Bauern deshalb, weil wir sehr schnell erkannten, daß diese Tätigkeit sehr arbeitsintensiv ist und dem einzelnen, nur durch den Zusammenschluß zu einer Arbeitsgemeinschaft, noch eine gewisse Lebensqualität ermöglicht wird. Ab September 1994 begannen wir großflächig, im Raum St. Pölten, mit diesem Konzept zu arbeiten. Wir traten als Wilhelmsburger-Hoflieferanten auf, blieben aber selbständige Unternehmen, die in einer gemeinsamen Produktionsanlage getrennt produzierten, aber ein gemeinsames Marketingkonzept hatten. Als Firmenmodell sind wir derzeit eine GesnbR., welche die Anlagen an die Partner vermietet. Diese Form der Vermarktung war zum Zeitpunkt der Entstehung einzigartig in Europa, und es wurde daher im Jahre 1995 als ein Kulturlandschaftsprojekt bei der Naturschutzbehörde des Landes Niederösterreich eingereicht und kann bis zum heutigen Tag als erfolgreiches Projekt angesehen werden. Da wir unentwegt bestrebt sind unser Projekt zu verbessern, errichteten wir 1998 eine neue Produktionsanlage und erhöhten damit unsere Kapazität. Unser Modell fand sehr regen Anklang, und der Multiplikatoreffekt ist nicht ausgeblieben. Heute werden die niederösterreichischen Schulen zu 90 Prozent von Bauern versorgt und nur zu 10 Prozent von Molkereien. Derzeit versorgen etwa 50 Bauern die Schulen in Niederösterreich mit Milchprodukten und Fruchtsäften. Die hygienischen und steuerlichen Auflagen sind mit denen des Gewerbes gleichgestellt. Aus unserer Initiative heraus haben sich die Niederösterreichischen-Hoflieferanten (GesmbH), die regionale landwirtschaftliche Produkte ankaufen und vermarkten, entwickelt. Das Ziel der Niederösterreichischen-Hoflieferanten ist die regionale Vermarktung von eben solchen Lebensmitteln, sowie die Erhaltung der Kulturlandschaft und der hiesigen Arbeitsplätze.