Zur Karriere von Thomas John Woodward
Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Ich denke, die bedeutendste Station des Lebens ist die Kindheit. Die Liebe und Aufmerksamkeit meiner Eltern gaben mir Selbstbewußtsein. Meine Mutter ließ mich schon damals beim Einkaufen im Laden vor den anderen Kunden singen, die mir daraufhin auch etwas zusteckten. Diese Aufbesserung des Taschengelds war für mich eine Lektion für das Leben. In der Schule interessierten mich nur wenige Fächer: Musik, Zeichnen, Ringen, Boxen und der Schulchor. Im Alter von zwölf Jahren litt ich an Tuberkulose und mußte zwei Jahre lang im Bett bleiben. Entsprechende Medikamente gab es damals noch nicht, und ich wurde mager und dunkelhaarig - als Kind war ich nämlich blond! Meine Bettgenossin war damals meine Gitarre. Mit 15 Jahren erlebte ich eine wesentliche Phase: ich verlor meine Jungfräulichkeit und trat ohne Abschlußzeugnis aus der Schule aus - diese Umstände hatten aber keine ursächliche Verbindung! Ich erlernte dann zwei Jahre lang das Handwerk des Handschuhmachers und konnte mir endlich von meinem ersten selbst verdienten Geld jeden Samstag eine Langspielplatte kaufen. Die erste war Treasure of Love von Clyde McPhatter. Ich war ein Rebell, aber ich haßte es, jung zu sein. Ich besorgte mir also einen Erwachsenenjob als Straßenbauer. Ich selbst war von dem Willen geprägt, irgendwann nur mehr Musik machen zu wollen, mein Lebenswandel damals jedoch eher von jeder Menge Alkohol, Schlägereien, Bandenzugehörigkeit, mehreren Verhaftungen wegen Körperverletzung, Einbruch und Sachbeschädigung. Ich habe damals fast nur Mist gebaut, mit Ausnahme der Hochzeit mit meiner Frau Linda, die mich (zu) kurz darauf zum Vater machte. Ich war also bereits Ehemann und Vater mit einem Erwachsenenjob und einem Erwachsenengehalt von zwölf Pfund geworden, ehe ich den Führerschein machen durfte. Mit 18 Jahren hatte ich meinen ersten professionellen Auftritt und sang Rhythm & Blues - Nummern für die Gage von einem (!) Pfund. Ab diesem Zeitpunkt trat ich regelmäßig auf und spielte auch kurz Schlagzeug bei der Band The Avalons. Aber ich empfand mich - wie konnte es anders sein - als Frontman vorne auf der Bühne. Später war ich Sänger der Gruppe Misfits, dabei verdiente ich einmal fünf Pfund an einem Abend - easy money, so dachte ich damals. Als Ersatz für einen unzuverlässigen Sänger erhielt ich schließlich die Chance, unter dem Namen Tommy Scott bei den Senators einzusteigen. 1962 spielten wir vor vollen Hallen, und ich lernte damals, ein lautstarkes, biertrinkendes Publikum auf mich aufmerksam zu machen, indem ich einfach selbst noch lauter und lebhafter war. Ergänzt durch rhythmische Arm-, Bein- und Hüftbewegungen, die anfangs als rhythmische Stütze für die Band gedacht waren, entstand daraus mein Stil. Später waren es - wie auch bei Elvis Presley - genau diese Bewegungen, die mein weibliches Publikum fesselten. Die Chance eines Auftritts in einer BBC-Fernsehshow konnten wir nutzen und wurden prompt wieder eingeladen. Ich versuchte mich inzwischen als Staubsaugervertreter, um den anstrengenden Job im Straßenbau loszuwerden. Die Damen, die mir am Abend als Tommy Scott zujubelten, kauften am Tag meine Staubsauger. Die Band sowie unsere selbst organisierten Parties wurden aber in der Folge so erfolgreich, daß ich auch diesen Job aufgab. Der Band-Leader hatte die Möglichkeit, im Pontybridd Observer, der lokalen Zeitung, Anzeigen zu schalten und trug auf diese Weise zu unserem steigenden Erfolg bei. In Wales hatten wir es also geschafft, aber wir wollten London erobern. Es gab jedoch auch etliche erfolglose Sackgassen wie beispielsweise einen schwulen Produzenten, der mir an die Wäsche wollte, unfähige Manager und vieles mehr. Schließlich hörte aber Gordon Mills einen unserer Auftritte und bot uns an, uns für 50 Prozent aller Einnahmen zu managen. So zog ich mit 24 Jahren nach London. Wir nannten uns Tommy Scott and The Playboys und spielten unter anderem als Vorgruppe für die Spencer Davis Group und die Rolling Stones. Im Endeffekt verdienten wir jedoch so wenig, daß meine Frau nebenbei arbeiten mußte und wir sogar manchmal hungerten. Als wir die Chance bekamen, für die Plattenfirma Decca vorzuspielen, verpaßte mir Phil Solomon, ein Produzent aus Belfast, den neuen Künstlernamen Tom Jones, weil damals gerade eine erotische Novelle mit demselben Namen im Kino anlief. Decca produzierte unsere erste Platte Chills and Fever, die in Australien zwar gut ankam, aber am wichtigen englischen Markt floppte. Ich war damals wirklich am Ende: kein Geld, kein Erfolg, und meine Frau mußte arbeiten, um meinen Sohn durchzubringen. Gordon schrieb damals den Countrysong Its Not Unusual, der eigentlich für Sandie Shaw gedacht war. Evie Taylor, die Managerin von Sandie, lehnte jedoch den Song - und damit zwei Milliarden Pfund - ab. Somit erhielt ich meine letze Chance bei Decca und nahm den Song auf. Um der Musik gegen meine Stimme eine Chance zu geben, wurde das Arrangement noch um Bläsersätze ergänzt. Der Song wurde Nr. 1 in England, Nr. 10 in den USA, schaffte es in 13 Ländern in die Hitparade und wurde in nur vier Wochen 800.000 mal verkauft. Ich aß ab diesem Zeitpunkt eine ganze Wurstsemmel allein, denn wir verdienten nun anstelle von sieben Pfund ganze 30 Pfund in der Woche. Nach einiger Zeit erhielten wir jedoch die ersten Tantiemen, und ich kaufte mir einen nagelneuen roten Jaguar. Es folgen zahlreiche Auftritte und Fernsehshows, obwohl sämtliche Kollegen - inklusive John Lennon - meinten, mein Stil sei nicht zeitgemäß. Ich war trotzdem zuversichtlich, kaufte ein Haus, trat zweimal in der Ed Sullivan-Show auf, engagierte in den USA den Agenten Lloyd Greenfield und spielte 1966 für eine Gage von 250.000 Dollar für vier Wochen im Caesars Palace in Las Vegas. Die nächste Produktion suchte ich selbst aus meiner Plattensammlung aus: Green Green Grass of Home von Jerry Lee Lewis. Der Song wurde wiederum mit einer Million verkaufter Schallplatten Nr. 1 in England sowie mit 1,22 Millionen Stück Nr. 11 in den USA. 1969 drehte ich 56 Folgen der Show This is Tom Jones für beachtliche neun Millionen Pfund, und 1972 absolvierte ich pro Abend zwei bis drei ausverkaufte Auftritte in Las Vegas. 1972 spielte ich in meinem ersten Spielfilm The Special London Bridge Special mit Jennifer ONeill. 1973 gab ich auch etliche Konzerte in Japan und war live im japanischen Fernsehen zu sehen. 1974 veröffentlichten wir eine Greatest Hits-Platte ohne einen einzigen neuen Hit, aber trotzdem war ich mit etwa fünf Millionen Dollar pro Jahr damals der bestverdienende Künstler. 1976 zwang mich die steuerliche Situation dazu, nach Los Angeles zu ziehen, und ich kaufte das Haus von Dean Martin an der Copa de Oro Road in Bel Air. 1978 gab ich ein gemeinsames Konzert mit Tina Turner, und 1982 folgte die Fernsehshow Coast to Coast, in der ich diverse Stargäste empfing. 1984 landete ich mit Ive Been Rained On Too einen weiteren Hit in den USA. Als ich dem Caesars Palace schließlich mit 200.000 Dollar pro Woche zu teuer wurde, wechselte in das MGM Grand Hotel. 1986 starb Gordon Mills, und mein Sohn Mark übernahm mein Management. 1987 erreichte ich mit A Boy From Nowhere die Nr. 2 in England und trat nach 15 Jahren erstmals wieder in der Sendung Top of the Pops auf. Als ich 1988 in der Fernsehshow The Last Resort spontan den Song Kiss von Prince sang, schlug mir Anne Dudley vor, den Song für mich zu arrangieren und mit dem Art of Noise Orchestra aufzunehmen. Wenn man lange genug singt, wird man eben zweimal entdeckt! Ich veränderte daraufhin mein Image, trug weitere Hosen, schwarzes Outfit und beendete das alte Ritual mit Küssen und Höschen auf der Bühne. Wir erreichten Nr. 5 in England und Nr. 35 in den USA. 1992 waren in meiner Fernsehshow The Right Time Künstler wie Joe Cocker, Stevie Wonder, T-Rex, EMF, Al Jarreau, Cyndi Lauper und The Chieftains zu Gast. Im gleichen Jahr war ich auch Gast bei David Letterman und lieh meine Stimme der Fernsehserie The Simpsons. 1993 nahm ich den Song All You Need Is Love nach dem Arrangement von Eurythmics-Mastermind Dave Stewart im Rahmen des karitativen Projekts Child Line auf, das von Mohamed al Fayed, dem Besitzer des Kaufhauses Harrods, initiiert wurde. 1993 trat ich in der Serie Prince of Bel Air auf und gab ein Benefizkonzert mit George Michael, Tina Turner, Bryan Adams und Sting. 1994 gastierte ich wiederum im MGM und war auch mit If I Only Knew in den britischen Charts vertreten. 1995 absolvierten wir eine gigantische Tournee durch die USA, Japan und Australien, weiters spielte ich eine Rolle in dem Hollywood-Film Mars Attacks. 1997 nahmen wir den Song You Can Leave Your Hat On für den Soundtrack zu dem Film The Full Monty auf und erreichten damit Gold in Großbritannien, den USA, Italien, Neuseeland sowie Platin in Spanien, Australien, Singapur und Kanada und darüber hinaus einen Oscar. 1998 sang ich auf der Brit Awards-Verleihung ein Duett mit Robbie Williams. 1999 drehte ich den Film Agnes Browne mit Angelica Huston, und im selben Jahr launchten wir das Album Reload, auf dem ich Duette mit vielen verschiedenen Künstlern sang. Als einziger Song, der kein Duett war, wurde Sex Bomb Nr. 1 in Großbritannien und erreichte Platin. Die Single Burning Down The House wurde Nr. 6 und erreichte Gold. Während des letzten Adventwochenendes 1999 sang ich mit dem Chor der Schweizergarde im Vatikan sowie am Silvesterabend im Weißen Haus für Bill Clinton.