Zum Erfolg von Ottilie Matysek
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg ist aus meiner Sicht ein unglaublich vielschichtiges Phänomen und hat für mich persönlich nichts mit seiner landläufigen Definition zu tun. Für die einen bedeutet Erfolg, im Rampenlicht zu stehen, als Adabei in den Seitenblicken gesehen zu werden und bekannt zu sein, für die anderen drückt er sich in der Höhe des Kontos und den daraus resultierenden Annehmlichkeiten aus. Es gibt Erfolg in der Öffentlichkeit, Erfolg in der Wirtschaft, Erfolg beim anderen Geschlecht - und für jede dieser Sparten sind Menschen bereit, sehr viel zu tun. Ich denke, daß Erfolg eine zum Teil von den Medien und zum Teil von der Gesellschaft aufoktroyierte Vorstellung ist, eigentlich aber als sehr persönliche Angelegenheit betrachtet werden muß. Für mich hat sich die Definition von Erfolg im Laufe meines Lebens stark verändert - natürlich legte ich früher großen Wert auf den Applaus und den beruflichen Erfolg, aber mit zunehmendem Alter nahm die Wertigkeit der öffentlichen Anerkennung stark ab. Zur Zeit ist es für mich ein Erfolg, wenn mir ein Bild gelingt und meinen eigenen Vorstellungen entspricht, wenn mein Garten gedeiht und wenn es meinen Söhnen gut geht. Erfolg liegt für mich heute in den kleinen Dingen.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ich sehe mich insofern als erfolgreich, als ich innerlich ausgeglichen, zufrieden und ruhig bin.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, versuche ich sie mit aller Kraft zu realisieren, auch wenn sie anfangs aussichtslos erscheint. Auf meinem Weg gelang es mir auch immer wieder, Menschen von meinen Ideen zu überzeugen und zu begeistern. So wurde während meiner Zeit als Direktorin einer Privatschule in Neusiedl das Lehrpersonal von drei auf mehr als 80 erhöht, um angefangen bei drei Schulklassen mit ca. 50 Schülern später 700 Jugendliche zu unterrichten: es wurde mir oft bestätigt, daß ohne mich das Schulzentrum Neusiedl heute nicht existieren würde, und ich betrachte den Aufbau dieser Schule gewissermaßen als Lebenswerk.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Herausforderungen sind für mich etwas, das ich nachgerade brauche. Ich spreche Probleme direkt an und suche verschiedene Lösungsmöglichkeiten, von denen ich schließlich jene wähle und konsequent verfolge, die mir am sinnvollsten erscheint. Ich scheue mich nicht davor, Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn ich auf einem Gebiet selbst zu wenig Erfahrung habe.
Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein?
Man muß als Frau definitiv mehr leisten und darf sich weniger Fehler erlauben als ein Mann, um erfolgreich sein zu können. Auch machte ich in der Politik die Erfahrung, daß bei Männern die physische Präsenz ausreichend ist, während Frauen fundiertes Wissen und Können beweisen müssen, um als gleichwertig empfunden zu werden. Ich persönlich hatte nie Probleme mit männlichen Kollegen, gewann allerdings den Eindruck, daß sie mit der Tatsache, daß ich eine Frau bin, in vielen Fällen schlecht umgehen konnten. In einem Fall wurde mir von einem sehr mächtigen Bezirksobmann sogar mein Erfolg vorgeworfen: weil in dieser Zeit sehr viel über mich in den Medien berichtet wurde, meinte er: Man liest nur mehr den Namen Matysek in der Zeitung - da müssen die Leute ja denken, Sie sind die einzige, die etwas bewegt! Erfolg ist in Österreich ein zweischneidiges Schwert, ganz besonders für eine Frau.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Es ist schwierig, einem jungen Menschen zu raten, sich selbst treu zu bleiben, weil er sich wahrscheinlich in vielen Bereichen noch nicht gefunden hat, aber ich denke, daß dieser Ratschlag dennoch wichtig ist. Ein junger Mensch sollte sich gerade heute nicht vom sogenannten Zeitgeist blenden lassen, nicht überall dabei sein müssen und den Mut haben, die Dinge beim Namen zu nennen, denn Diplomatie ist meiner Meinung nach eine Vorstufe zur Verschleierung der Wahrheit. Es ist unglaublich wichtig, wenn auch schwierig, seinen eigenen Weg zu finden und eine gefestigte Persönlichkeit zu entwickeln, die sich an Werte hält. Eine gute Ausbildung ist zweifellos Basis des Erfolges. Ich bin der Überzeugung, daß das Schulsystem dringend überdacht werden muß. Es ist nicht einzusehen, daß die Hirne der Schüler mit Wissen überfrachtet werden, das sie ohnehin - insbesondere im Zeitalter des PC - rasch und präzise nachschlagen können. Viel wichtiger als Fakten auswendig zu lernen ist die Fähigkeit, vernetzt zu denken und Zusammenhänge herzustellen: man muß dem Schüler die Möglichkeit geben, eine Persönlichkeit zu werden und Begabungen fördern, anstatt jene zu bevorzugen, die ducken und still sind.