Zur Karriere von Waltraute Wendl-Sperling
Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Ich lernte schon sehr früh zu kämpfen, da ich mit nur 1,8 kg auf die Welt kam und mir die Ärzte keine Überlebenschancen gaben. Soweit ich mich zurückerinnere, war ich auf mich allein gestellt und versuchte, selbst Geld zu verdienen. Schon mit sechs oder sieben Jahren lieferte ich Kartons aus und konnte mir so ein paar Süßigkeiten oder andere Dinge leisten. Während der Volks- und Hauptschule war ich nur selten anwesend, mußte mehrmals die Schule wechseln und hatte schlechte Betragensnoten. Trotzdem kämpfte ich mich durch, nicht zuletzt dank meiner Freundin Steffi, mit der ich eine Kooperation einging: Ich beschaffte ihr Essen, sie machte dafür meine Hausaufgaben und half mir bei Prüfungen. Da meine Mutter der Meinung war, ich müßte zumindest kochen können, besuchte ich anschließend eine Haushaltungsschule. Aber auch dort war ich ein seltener Gast, denn sobald das Wetter schön war, ging ich Radfahren oder Bergsteigen. Ein Traum von mir war, eines Tages eine Schutzhütte zu bewirtschaften. Daher besuchte ich dann eine Fachschule für Großküchenbetriebe. Nach dem Abschluß brachte mich meine Mutter in der Generaldirektion der Tabakwerke unter, wo ich etwa ein Jahr in der Großküche arbeitete. Da ich damals sehr helle, weißblonde Haare hatte und deswegen auch gehänselt wurde, plante ich, nach Norwegen zu gehen, wo ich mit meiner Haarfarbe weniger auffallen würde. Also nahm ich bei der Norwegischen Botschaft in Wien eine Stelle als Sekretärin an und lernte die Sprache. Eines Tages langte eine Anfrage bei der Botschaft ein, ob man nicht eine Österreicherin kenne, die in Norwegen in einem Haushalt mit mehreren Kindern arbeiten möchte. Voraussetzung war allerdings eine ärztliche Grundausbildung. Ich hatte zuvor die Diätküchen-Fachschule der Gemeinde Wien absolviert und traute mir den Job zu. Also fuhr ich 1957 mit dem Zug nach Hamburg und radelte von dort über Schweden nach Norwegen. Kurz vor meiner Abreise hatte ich einen jungen Mann kennengelernt, der mir dann 360 Liebesbriefe schrieb. Nach einem Jahr wollte ich ihn nicht mehr warten lassen, kehrte nach Österreich zurück, und bald darauf heirateten wir. Sein größter Wunsch war es, mit dem Motorrad zum Himalaya zu reisen, und ich begleitete ihn auf diesem Abenteuer. Auf dem Weg dorthin machten wir zwei Erstbesteigungen, darunter den türkischen Berg Ararat im Winter. Mein Mann wollte 40 Meter vor dem Gipfel aufgeben, ich habe ihm wie einem kranken Roß zugeredet, und schließlich schafften wir es. Als junges Mädchen hatte ich aber noch einen anderen Traum: Immer wenn ich meine Mutter an ihrem Arbeitsplatz im neunten Wiener Gemeindebezirk besuchte, kam ich an einer Drogerie vorbei, und mein Traum war es, diese irgendwann einmal zu führen. Als ich mir später diesen Wunsch verwirklichen wollte, erkundigte ich mich bei der Kammer nach diesem Geschäftslokal. Ich erhielt die Auskunft, daß ich keine Chance hätte, da die Drogerie im Besitz einer gewissen Frau Taschler sei. Ich war schon im Stiegenhaus, als mich der Berater zurückrief. Frau Taschler hätte eben angerufen, sie wolle sich zurückziehen und suche eine Nachfolgerin. Das kann kein Zufall sein. So übernahm ich 1984 die Drogerie in der Pramergasse und absolvierte nebenberuflich alle erforderlichen Befähigungsprüfungen. Wir sind auf Bio- und Naturheilprodukte, auf selbst hergestellte Salben, Cremes und Teemischungen spezialisiert. Gerade die Tees, die ich in unseren Steinmühlen mahle, kommen bei den Kunden sehr gut an, da sie wirklich helfen.