Zum Erfolg von Judith E. Kaufmann
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg bedeutet für mich, daß ich für mich weiß, ich habe alles gegeben, es hat funktioniert, und ich kann stolz auf mich sein.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ja, weil ich bis jetzt extrem viel erreicht habe.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Meine gesundheitliche Situation und die Prognosen der Ärzte, die meinten, ich würde meinen Beruf nie mehr ausüben können. Meine Devise wurde somit: Mach' es am besten heute, denn morgen könnte es vielleicht nicht mehr so gut gehen! Man schöpft daraus soviel Kraft, wenn man weiß, daß einem alles genommen wird, wovon man träumte, denn dann weiß man auch, was es einem wirklich bedeutet. Ich bin ein Optimist, und egal, was ich mache, ich lächle, wahrscheinlich ist das der Schlüssel zu meinem Erfolg. Dieses Lächeln muß aber von innen kommen. Es geht nur darum, etwas mit Liebe zu machen, dann funktioniert es auch. Ich habe auch schwerkranke Kinder in meiner Schule, die bei mir wieder zu lachen begannen.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Den Dingen ruhig und besonnen zu begegnen und sie positiv zu sehen, das ist mein Weg, an die Herausforderungen heranzugehen.
Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein?
Es gibt auch in meinem Bereich einen Geschlechterkampf, aber ich begegne ihm mit Witz. Auch im Ballett tanzte ursprünglich nur der Mann, auch die Frauenrollen. Später kam die Frau hinzu, die schrittweise dann so viel übernahm, daß der Mann sie nur mehr partnern durfte. Auch das war nicht der richtige Weg, es gilt die Gleichwertigkeit.
Ist Originalität oder Imitation besser, um erfolgreich zu sein?
Ich denke, daß jede Idee irgendetwas bringt. Entweder kommt man damit weiter, oder man findet heraus, daß es ein Blödsinn war. Doch das Rad ständig neu erfinden zu wollen kann auch nicht sinnvoll sein. Man sieht sehr oft bei Regisseuren oder Choreographen, die mit aller Gewalt „neu“ sein wollen, daß dann so ein Druck dahintersteckt, daß schlußendlich nichts Ergreifendes dabei herauskommen kann. Zum Beispiel ist das klassische Ballett absolut nicht passé, sondern wie ein Märchen, in das man wegtauchen kann. Das soll man den Menschen nicht wegnehmen. Das Theater ist dazu da, den Menschen einen Moment zum Träumen zu geben. Neues soll und kann zusätzlich erfunden werden, doch das Alte hat seinen Wert bereits bewiesen.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Zum einen mein erster Ballettlehrer, Karl Reinisch, denn bei ihm konnte ich meinen Kindheitstraum vom Tanzen verwirklichen. Er ist für mich der Inbegriff eines Tänzers, personifizierte Disziplin, Höflichkeit, Ruhe und Ausstrahlung - einfach ein Tänzer, wie er sein sollte. Er gab den Ausschlag, daß ich diesen Beruf ergriff. Zum zweiten prägte mich sicherlich auch meine Lehrerin, Primaballerina assoluta Marcia Haydée, die für mich die größte Tänzerin überhaupt ist. Auch mit Burgschauspielerin Else Ludwig, die ich schon mit 15 kennenlernte, entwickelte sich bis heute eine wunderbare Freundschaft. Sie ist sicherlich auch Vorbild für mich, sie zählt zu den wenigen noch wirklichen Schauspielern.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Das Schönste für mich ist, wenn jemand vor mir steht und sagt: Judith, ich wollte dir soviel sagen, und jetzt habe ich alles vergessen! Es ist natürlich wunderschön, im Applaus zu stehen, aber der direkte Kontakt zum Publikum und meinen Schülern ist noch schöner. Kinder sind die schärfsten Kritiker, und wenn ein Kind einem sagt, daß es einen lieb hat, dann weiß man, daß man vieles richtig gemacht hat. Kinderlachen ist die größte Anerkennung.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Buben haben im Ballett ein Problem. Es ist dieses Vorurteil der Väter und der Gesellschaft, das es für Buben so schwer macht, sich zu trauen, tanzen zu lernen. Es gibt immer weniger Männer im Ballett. Ein Mann kann beim Tanzen wunderschön sein, ohne gleich homosexuell sein zu müssen. Dieses Vorurteil ist gängig, aber nicht angebracht.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Lieben und nochmals lieben. Sich selbst, die anderen und die Arbeit, die man tut. Es ist leider heute schon so, daß „Liebe“ auf jeder Werbung und jedem Lebkuchenherz steht, und niemand denkt mehr über die Bedeutung nach. Lieben ist Leben, es ist nur ein Buchstabe Unterschied, aber es ist dasselbe.