Zum Erfolg von Brigitte Schießl
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Im Gesundheitsbereich liegt vieles im argen. Die Politiker schauen weg, andere fühlen sich nicht zuständig. Gesetze werden nicht eingehalten, niemand wagt sich zu artikulieren und Änderungen vorzunehmen. Man will keine Strukturreformen, sondern nur wieder gewählt werden. Für mich bedeutet Erfolg, daß Patienten/Klienten adäquat behandelt werden und zufrieden sind.Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Ich bin diszipliniert, konsequent und gebe nicht auf - diese Eigenschaften haben wesentlich zu meinem Erfolg beigetragen. Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein? Aufgrund meiner Kollegialität, meiner Schnelligkeit und meines Fleißes hatte ich eigentlich keine Probleme im Beruf. Mobbing war im OP-Bereich unter Kolleginnen Alltag - man steht unter hoher Arbeitsbelastung, das Arbeitszeitgesetz wird nicht eingehalten, Marathondienste stehen an der Tagesordnung, das Personal ist ausgelaugt, müde und frustriert bis zur Erschöpfung: unsere OP-Schwestern sind kaputt und fertig.Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat? Meine Großeltern waren genau 64 Jahre und neun Monate verheiratet, haben gemeinsam zwei Weltkriege und die Gefangenschaft meines Großvaters in Rußland durchgestanden, ein Haus gebaut und drei Kinder großgezogen. Meine Großmutter war immer gerecht und liebevoll (wir wohnten gemeinsam in einem großen Haus, durch eine Etage nur getrennt), sie war der wichtigste und prägendste Mensch in meinem Leben. Ich erlebte viele extrem schwierige Phasen und ging manchmal durch die Hölle, aber ein Satz meiner Großmutter half mir, auch das durchzustehen: Egal, was passiert - du schaffst es!Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst? Österreich hat gute Gesetze, die aber leider nicht eingehalten werden. Wir hatten zum Beispiel eine Vortragende im Studium, diese sitzt heute in Wien im Nationalrat, kann sich in der Partei aber nicht durchsetzen. Anderen Politikern, die vom Gesundheitswesen keine oder kaum Ahnung haben, werden wichtige Ämter zugeschanzt. Die Berufsgruppe der Krankenpflege benötigt eine eigene Pflegekammer, wo kompetente und erfahrene Leute aus der Krankenpflege, der Pflegewissenschaft, etc. das Sagen haben. Ich habe mir geschworen, mir kein Blatt vor den Mund zu nehmen - es herrscht dringender Handlungsbedarf.Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus? In erster Linie nach der fachlichen Qualifikation, aber natürlich spielen auch Faktoren wie soziale Kompetenz und Engagement eine wichtige Rolle. Viele unserer Mitarbeiterinnen/Kolleginnen kommen aus Krankenhäusern und haben von dieser Institution und den Hierarchien genug. Viele leiden am Burnout-Syndrom. Der Fisch beginnt ja bekanntlich am Kopf zu stinken - zeige mir die Führung und ich sage dir, wie es um das Team steht. Man darf sich nicht wundern, wenn Mitarbeiter in der Gesundheits und Krankenpflege völlig frustriert und demotiviert sind. Was den Pflegenotstand betrifft, so meine ich, es gibt genügend diplomiertes Krankenpflegepersonal - nur die Hierarchien, Mobbing, Arbeitsüberlastung (Arbeitsgesetze werde oft nicht eingehalten) veranlassen dieses, aus dem Beruf auszuscheiden. Das Pflegepersonal steht oft rund um die Uhr am OP-Tisch und ist physisch und psychisch extrem belastet. So wechseln viele in andere Branchen, studieren, gründen eine Familie und bleiben lieber als Mutter daheim, als arbeiten zu gehen.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Sie können sich die Arbeitszeit frei einteilen, auf die Wünsche der Mitarbeiterinnen wird so viel wie möglich Rücksicht genommen. Wir achten darauf, daß sie sich bei uns wohl fühlen und selbst engagiert und motiviert sind. Motivation von außen ist kontraproduktiv! Wenn jemand Hilfe benötigt, bin ich für alle Ansprechpartner und helfe.Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens? Die größten Stärken sind Qualitätssicherung und Dokumentation (alles ist belegbar und nachvollziehbar, denn was nicht dokumentiert wird, ist nie geschehen!). Die Patienten werden ganzheitlich (Seele, Geist und Körper) betreut. Unser Pflegepersonal ist in allen Bereichen ausgebildet und kann einen Patienten/Klienten vom Scheitel bis zur Sohle betreuen. Wir halten uns selbstverständlich an das bundesweit geltende Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG).Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Wer den Krankenpflegeberuf ergreifen will, dem kann ich nur raten: Such dir einen anderen Beruf. Man hat keine Lebensqualität (ich erlebte sie nur im Rehab-Zentrum Saalfelden), nicht umsonst sind die Suizidrate und der Mißbrauch von Alkohol und Drogen gerade in medizinischen Berufen besonders hoch. Wer nicht über eine ausgeprägte körperliche und seelische Robustheit verfügt, ist in diesem Beruf verloren und wird selbst krank. Neue Denkansätze für Führungskräfte im Gesundheitswesen: Laut GuKG müssen leitende Personen wie Pflegedirektorinnen und -direktoren in Kliniken, Rehab-Zentren, Senioren usw. eine akademische Ausbildung absolvieren. Viele haben diese aber nicht, sodaß hier dringender Handlungsbedarf besteht. Pflegedienstleitungen sind oft ohne Ausbildung pragmatisiert, man wird sie nicht los, und auch der autoritäre Führungsstil wird von älteren Semestern ohne akademische Ausbildung oft praktiziert. Dies wirkt demotivierend auf das gesamte Team. Im dritten Jahrtausend wäre ein kollegialer Führungsstil angebracht und notwendig. Manche Pflegedienstleitungen haben außerdem Komplexe, wenn Bewerber eine adäquate bzw. bessere Ausbildung vorweisen können. Daß man sich die Bewerbung in solchen Fällen sparen könnte, versteht sich von selbst. Viele der angesprochenen Führungskräfte haben auch Angst, die Ausbildung nicht zu schaffen.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich möchte den Patienten die Augen öffnen, und hoffentlich gelingt es mir, die Politik soweit zu beeinflussen, daß das GuKG auch eingehalten wird. Mit AGMEDIS werde ich unser Qualitätskonzept weiter ausbauen und in naher Zukunft damit verstärkt an die Öffentlichkeit gehen.
Ihr Lebensmotto?
Aufgegeben wird nur ein Brief.