Zum Erfolg von Elisabeth Gehrer
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg ist, die Dinge, die man übernommen hat, halbwegs gut über die Bühne zu bringen. Ich möchte nicht Dinge übernehmen, an denen ich scheitere. Die eigenen Fähigkeiten zu kennen, ist ein wichtiger Punkt. Ich würde z.B. ablehnen, Bundeskanzlerin zu werden. Man muß nicht immer noch mehr erreichen. Nach Abschluß meiner derzeitigen Aufgabe werde ich nach Vorarlberg zurückkehren und mein Haus umbauen.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Man muß Ja oder Nein sagen, nicht Jein. Ich habe diese Karriere nicht angestrebt. Man muß sich auch als Frau zutrauen, Dinge genau so gut zu machen wie Männer, wenn nicht besser. Man muß wagen, jedes Wenn und Aber außer Acht zu lassen und - mit entsprechenden Fähigkeiten - die Dinge anpacken. Probleme muß man als Herausforderungen sehen und sich überlegen, ob man diese Herausforderungen annehmen kann. Auch die Gefahr, sich hinter pseudodemokratischen Prozessen zu verstecken, ist in der Politik sehr groß. Ich meine, daß Entscheidungen sicher im Hinblick auf den Volkswillen oder Gremialwillen getroffen werden müssen, aber hinter einer Entscheidung muß man selbst auch stehen können. Ich überlege mir - das habe ich gelernt - im voraus, was ich zu sagen habe, und das sage ich dann auch. Und zwar nicht als letzte, sondern als erste. Wichtig ist es auch, Fehlschläge zu hinterfragen und daraus zu lernen. Ich war zwar ein schüchternes Kind, aber als Lehrerin, die mit 51 Kindern konfrontiert war, mußte ich lernen, mich durchzusetzen. Im Dorf ist die soziale Rangordnung folgendermaßen: Bürgermeister, Pfarrer und dann der Lehrer. Aber das war kein Grund für mich, diesen Beruf anzustreben. Ich konnte mir ebenso vorstellen, Bäuerin zu werden, wenn ich den richtigen Partner dazu gefunden hätte. Ich denke, man ist im Leben vielen Herausforderungen gewachsen, wenn man will. Sollte ich nochmals auf die Welt kommen, möchte ich entweder Hüttenwirt, Bergführer oder Querflötenspieler in einem philharmonischen Orchester werden (ich habe auch Orgel, Klavier und Flöte spielen gelernt). Angebote für diverse Posten ergaben sich und ich nahm die Herausforderung jedes Mal an. Vielleicht wurde ich mit diesen Aufgaben betraut, weil ich lernbereit und durchsetzungsstark bin. 1989 kam ich in den Landtag, weil auch die Vorarlberger es sich nicht mehr leisten konnten, keine Frau im Landtag zu haben. Der damalige Landesstadtrat Gratzer wechselte als Bürgermeister nach Bregenz, daher war ein Regierungsposten frei. Der Landeshauptmann wollte einen Mann für diese Stelle einsetzen, und zwar einen Wissenschaftler aus Heidelberg, der Vorarlberger war. Dieser hatte bereits zugesagt, wollte aber die Funktionen eines Professors und eines Landesrates parallel ausüben, was natürlich nicht möglich war. In der Folge kam der Landeshauptmann an mir nicht mehr vorbei. Daher wurde ich Landesrätin für Bildung, Jugend, Frauen, Energiesparen, Wissenschaft und Volkskultur. Ich wurde dreimal gefragt, ob ich nicht Ministerin werden wollte. Ich wollte aber nicht im Sozialbereich arbeiten, weil es mir so rollenkonform erschien. Warum sollen immer Frauen für Soziales zuständig sein? Es könnten sich doch auch einmal Männer dieser Aufgabe widmen. Familienministerium, Umweltministerium - alles wurde mir angeboten. Ich lehnte immer sehr deutlich ab. Irgendwann fragte mich dann Wolfgang Schüssel, ob ich nicht das Unterrichtsministerium leiten wolle, und wieder sagte ich nein, obwohl es mir natürlich peinlich war. Mocks Anfrage lehnte ich ab, auch Rieglers, allmählich wurde es unangenehm. Meine Gründe für die Ablehnung wurden jedoch nicht akzeptiert und auch die Medienberichte sprachen nach wie vor als neue Unterrichtsministerin von mir. Da mir klar war, daß ich eine neuerliche Anfrage nicht mehr ablehnen könnte, sagte ich nach mehreren Telefonaten mit Wolfgang Schüssel und Rücksprache mit meinem Mann schließlich zu.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Der Landeshauptmann von Vorarlberg , Dr. Martin Purtscher, dessen ungeheures Engagement seine Politik vom Gemeindevertreter an in verschiedensten Bereichen geprägt hat.
Woraus schöpfen Sie Ihre Kraft?
Aus seltenen freundlichen Briefen, motivierten Mitarbeitern und einem bescheidenen Freundeskreis, vor allem in Vorarlberg. Ich brauche keine Ruhe zur Erholung - Faulenzen oder die Seele baumeln zu lassen ist für mich nicht notwendig. Meine Familie behauptet sogar, ich mache im Urlaub Streß, weil ich möglichst viel sehen will.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Politik muß man als Arbeit für die Gesellschaft und Gemeinschaft ansehen. Ohne Politiker gäbe es keine Demokratie. Es sollte jeder seine politischen Möglichkeiten wahrnehmen, zumindest die des Wahlrechtes. Wer nicht mitbestimmt, über den wird bestimmt. Auch in der Politik muß man sein Handwerk erlernen. Je anspruchsvoller die politische Aufgabe ist, desto höher ist für Quereinsteiger die Gefahr des Scheiterns. Man braucht Kenntnisse in den Bereichen offene Planung, Einbindung von Gruppen und Kommunikation. Deswegen kann man ein politisches Gremium nicht wie ein Manager führen. Das Heer der Freiwilligen und unentgeltlichen Helfer benötigt Motivation. Weiters sollte man nicht verbissen versuchen, Positionen zu erreichen, sondern die gegenwärtige Aufgabe bestmöglich erfüllen. In der Politik kann man nichts erzwingen, man sollte auch wieder loslassen können. Gute Politik braucht eine gewisse Kontinuität. Damit meine ich, daß man zwei Funktionsperioden braucht, um etwas umzusetzen. Man sollte aber nicht eine Position abonnieren. Wer Menschen nicht mag, der sollte aufhören, Politik zu machen. Wichtig ist es auch, eine einfache Sprache zu sprechen.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus?
Bei Personalentscheidungen bin ich natürlich diversen Objektivierungsverfahren gegenüber aufgeschlossen, aber zwischen den letzten drei Kandidaten muß ich wählen dürfen. Es nützt mir der gebildetste Mitarbeiter nichts, wenn ich persönlich mit ihm nicht harmoniere. Ich treffe auch keine Personalentscheidungen über Hierarchien hinweg, da ja andere mit diesen MitarbeiterInnen leben müssen.Welche Bedeutung hat die Musik für Sie? Ich halte Musik für einen wesentlichen Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Ich glaube, daß Menschen, die Musik machen, kreativer sind und unterschiedliche Bezugssysteme besser in Verbindung bringen können. Es wurde nachgewiesen, daß sich Synapsen bei musizierenden Menschen schneller bilden und daß daher außergewöhnliche Lösungen auch im kognitiven Bereich besser und schneller gefunden werden. Daher sind mir die darauf abzielenden Programme in Schulen ein besonderes Anliegen.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich strebe die Einführung eines neuen Lehrplanes an, mehr Autonomie für die Schulen, Ausgliederung der Museen und vieles andere. Für mich ist ein vorrangiges Ziel, dezentrale Schuleinheiten zu schaffen, die von einem hohen Maß an Eigenverantwortung geprägt sind. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch eine neue Kontrollkultur wichtig, um sicherzustellen, daß dezentral verwaltete Mittel auch sachgemäß verwendet werden. Bei 6.600 Schulen und 120.000 Lehrern ist das natürlich kein kurzfristiges Projekt. Vor allem das neue Denken der Eigenständigkeit bei den Beteiligten durchzusetzen, ist ein langfristiger Prozeß. Im neuen geplanten Lehrplan ist die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen vorgesehen, also: Kommunikationsfähigkeit, Teamarbeit, Konfliktlösung, Präsentation von Projekten, Mehrsprachigkeit, usw.