Zum Erfolg von Eleonore Kleindienst
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg hat für mich nichts mit Geld zu tun. Er liegt für mich darin, eine Aufgabe zur Zufriedenheit der betroffenen Menschen zu lösen und - zumindest über einen bestimmten Zeitraum - nachhaltige Wirkung zu erzielen. Ein Haus muß seinen Wert für die nächsten 100 Jahre behalten, deshalb interessiere ich mich auch nicht für den Hochhausbau, weil das die Architektur des Geldes ist, bei der es nur darum geht, etwas zu bauen, das eigentlich unwirtschaftlich und unwartbar ist und nach einer gewissen Zeit wieder abgerissen wird.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ja. Ich sehe mich als erfolgreich, weil ich meine Aufträge durch Mundpropaganda erhalten habe und mit meiner Tätigkeit sehr zufrieden bin.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ausschlaggebend für meinen Erfolg war meine Einstellung, mich immer zuerst für die Aufgabe zu engagieren und erst dann abzuklopfen, ob die Parameter zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer stimmen. Daß ich von meiner Arbeit leben können muß, war für mich immer ein Selbstverständnis, denn man wird schließlich auch nicht respektiert, wenn man seine Arbeit verschenkt. Meine persönlichen Stärken liegen darin, daß ich (als Feuerzeichen) einen sehr langen Atem und unendlich viel Energie habe, über die ich selbst manchmal erstaunt bin. Entscheidend ist auch, daß ich gut mit Menschen umgehen und meine Ideen vermitteln kann - ohne diese Fähigkeit wäre es mir nicht möglich gewesen, die Finanzierung für außergewöhnliche Projekte zu erreichen. Manche Privatkunden bescheinigten mir sogar eine gewisse therapeutische Rolle, weil ich Bedürfnisse erspürte, von denen sie selbst noch nicht gewußt hatten.
Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein?
In meinen Augen ist für Frauen in einer männerdominierten Branche wie der Architektur nur der Start schwieriger. Ich hatte es innerhalb des Studiums erheblich schwerer als männliche Kollegen, denn das Gros der Professoren riet mir von diesem Bereich ab, wobei dies noch das freundlichste Verhalten war. Bei Prüfungen wurden Studentinnen trotz besserer Leistungen schlechter bewertet. Meine Einstellung war es, meinen Weg zu gehen, indem ich meine Fähigkeiten sehr genau erforschte und meine Stärken und Schwächen genau kannte - etwas, was ich an männlichen Kollegen vermißte, die es gewohnt waren, immer gelobt zu werden. Ich persönlich halte es für notwendig, daß mehr und mehr Frauen in der Architektur tätig sind, weil sie eine andere Sichtweise einbringen.
Ist Originalität oder Imitation besser, um erfolgreich zu sein?
Etwas eins zu eins zu imitieren ist in meinen Augen völliger Schwachsinn, aber ich werde ganz sicher nicht eine technisch schlechte Lösung wählen, nur um originell zu sein, wie man es leider Gottes so oft sieht. Es gibt in unserer Branche ganz wenige geniale Gestalter, die wirklich originell und gleichzeitig technisch einwandfrei arbeiten. Architekt Santiago Calatrava, der Erbauer phantastischer Brücken und Veranstaltungsprojekte, ist so ein Genie der Originalität bei gleichzeitiger Funktionalität.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Mein Vater, selbst Architekt, lebte mir vor, wie man mit Menschen umgehen muß, und daß man seinen Weg konsequent verfolgen soll. Schon als Kind fuhr ich mit ihm zu Baustellen und interessierte mich daher früh für meinen heutigen Beruf. Die Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky, die ich persönlich kennenlernen durfte, beeindruckte mich vor allem in menschlicher Hinsicht. Sie war sehr korrekt und sozial engagiert; was sie machte, hatte Hand und Fuß. Als besonders imponierend erlebte ich ihren Humor und ihre geistige Frische.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Ich persönlich hatte das Glück, in den siebziger Jahren für einen Arzt einen Dachgeschoßausbau durchzuführen, wobei mein Kunde größten Wert auf ökologische Bauweise legte, sodaß ich mich damit intensiv auseinandersetzen mußte. Was mich schmerzt, ist die Tatsache, daß sich diese Sicht noch immer nicht durchgesetzt hat, obwohl Architekten wie der Schotte Ralph Bennett bewiesen haben, daß es möglich ist, selbst große Bürogebäude zu errichten, die durch Wärmerückgewinnung de facto ohne Heizung auskommen. Was ich ebenfalls für ein Problem halte, ist das Abweichen von humaner Architektur - man schaue sich nur so manchen Banken- oder Versicherungskoloß an, der es, anstatt mit dem Geld etwas für seine Kunden zu tun, darauf anlegt, sie durch unbezahlbares architektonisches Droh- und Imponiergehabe kleinzukriegen. Das erachte ich nachgerade als Perversion in sich.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Ich arbeite, je nach Größe des Auftrags, auf Werkvertragsbasis mit verschiedenen Spezialisten für Statik, Energiebilanz und Computergrafik usw. zusammen.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Ich bin sehr flexibel und pflege den Kontakt zu sehr vielen jungen Menschen (Architekten und Auftraggebern), was mir sehr wichtig ist, um am Puls der Zeit zu bleiben und stets frische Sichtweisen in meine Arbeit einzubringen.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Ich nehme seit 2003 an keinen großen Ausschreibungen mehr teil und mache auch keine Bauleitungen mehr. Meine Ehe mit einem Architekten wurde aus verschiedenen Gründen geschieden, und sobald ich wieder allein war, konnte ich mir auch meine Zeit nach meinen Bedürfnissen einteilen. Ich habe einen für meine Lebensbedingungen überdurchschnittlich großen Freundeskreis und mit meinen Töchtern, Schwiegersöhnen und Enkeln eine wunderbare Familie, für die ich mir gern und viel Zeit nehme.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Die junge Generation muß sich in verstärktem Maß dem Weltgeschehen widmen. Ich gehöre der Nachkriegsgeneration an, für die es sich vor allem darum drehte, wie es im eigenen Land weitergeht, sodaß der Blick über die Grenzen etwas eingeschränkt war, wobei ich aber sagen muß, daß ich persönlich in ganz Europa herumreiste und schon mit 14 Jahren allein in Italien war. Heute muß man global denken, unter allen Umständen aber darauf achten, daß die Welt human bleibt. Wenn es nur mehr darum geht, daß eine kleine Schicht von Reichen auf dem Rücken der Massen ihren Wohlstand vervielfacht, gebiert die Gesellschaft irgendwann einmal zusätzlich zu den von der Natur determinierten Dramen Katastrophen, die für eine sehr schlimme Negativspirale sorgen. Ich denke, daß es vor allem Verantwortung der Politiker wäre, diesen Teufelskreis des Kapitalismus zu durchbrechen, indem sie sich - mit der Mehrheit der Menschen hinter sich! - engagieren und auf die Situation reagieren, anstatt um ihre Gehälter zu fürchten.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich möchte mich künftig mehr auf theoretische Projekte konzentrieren, Vernetzungen schaffen und verstärkt jenen Gedanken verfolgen, der mich mein ganzes Leben lang begleitet hat, nämlich die Gleichwertigkeit von Männern und Frauen. So möchte ich den Stellenwert der Architektinnen ins Bewußtsein der Menschen rücken, wobei ich es schade finde, daß nicht alle Architektinnen selbstverständlich Mitglieder der weltweiten Organisation der Architekten (UIA) sind, sondern ihre eigene Organisation, die UIFA (Union Internationale des Femmes Architectes) bilden. Wichtig ist mir auch die Aufklärungsarbeit im Bereich des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit.
Ihr Lebensmotto?
Respektiere deinen Nächsten wie dich selbst.