Zum Erfolg von Irena Lipowicz
Was ist für Sie Erfolg? Ein erfülltes Leben, einer guten Sache zu dienen, sowie seine Talente so optimal einzusetzen, daß man etwas Nützliches für die Menschen macht.
Sehen Sie sich selbst als erfolgreich?
Nicht unbedingt, darüber dachte ich auch nie nach. Allgemein werde ich in meinen Positionen als erfolgreich gesehen. Ich führe ein erfülltes, glückliches Leben, habe aber trotz allem nur die Hälfte erreicht, da ich keine Familie mit Kindern habe.
Wie werden Sie von Ihrem Umfeld gesehen?
Als effizient. Ich habe einen großen Freundeskreis und gute Familienbeziehungen. In diesem Umfeld fühle ich mich geborgen und anerkannt, nicht aber als erfolgreich. Als ehrgeizigen Karrieretyp sehe ich mich nicht, mir ist die Aufgabe wichtiger als die Position, deshalb verzichtetete ich auch auf so manchen Karriereschritt.Wobei haben Sie erfolgreich entscheiden? Als ich in den 70er Jahren aus moralischen Gründen darauf verzichtete der Kommunistischen Partei beizutreten. Damit war klar, daß ich gewisse Posten nie erreichen kann, mir waren aber Prinzipien wichtiger als Karriere. Für meine Generation war dies eine dramatische Entscheidung, die jeder Pole treffen mußte. Nicht-Partei-Mitglieder konnten keine Professoren, Direktoren oder Richter werden. Mir war klar, wenn ich der Partei nicht beitrete, kann ich zwar an der Universität arbeiten, aber nach zehn Jahren vielleicht meinen Job verlieren. Trotzdem entschied ich mich für die universitäre Laufbahn, um mich als Wissenschafterin zu profilieren. Mein Chef war dafür ein Vorbild, wie man sich ohne Parteizugehörigkeit und Titel als Wissenschafter einen Namen machen konnte. Haben Sie diese Tätigkeit angestrebt? Schon als Kind strebte ich eine wissenschaftliche Laufbahn, wie meine Mutter, an. Ich denke daß Frauen ästhetisch genug sind, um sich der reinen Wissenschaft zu widmen, während Männer für andere Aufgaben vielleicht besser geeignet sind. Daß ich Wissenschafterin werden konnte, verdanke ich meinen Eltern, die mir diese Chance ermöglichten.Was ist für Ihren Erfolg ausschlaggebend? Ich mag Menschen. Von meiner Mutter lernte ich, daß in jedem Menschen ein Diamant steckt, der darauf wartet geschliffen zu werden. Meine Eltern waren nicht auf Geld und äußeren Erfolg fixiert, sondern legten Wert auf Intellektuelles und Ausbildung, nachdem sie im Weltkrieg und während des Kommunismus sahen, wie vergänglich Äußerlichkeiten sind. Ich habe (im kleinen Rahmen) Führungsqualitäten, bin bereit für meine Ziele mit meiner Zeit und Energie zu bezahlen und habe den Mut auch Konsequenzen zu tragen.Warum wurden Sie für diese Position ausgewählt? Mich schlugen meine zwei Vorgänger vor, weil ich mich (als Vorsitzende der Polnisch-Österreichischen Parlamentariergruppe seit acht Jahren) schon lange mit Österreich beschäftigte.Was ist für Erfolg hinderlich? Es gibt Menschen, bei denen Charakterschwächen (z.B. Eitelkeit) all das zerstören, was seine Talente kreieren. Persönliche Schwächen hat jeder, man darf aber nie aufhören daran zu arbeiten diese auszumärzen.Welche Rolle spielt Ihr Umfeld? Da der Mensch von der Umwelt getragen wird, eine entscheidende. Ich blühe auf, wenn ich Akzeptanz spüre, das ist wie Treibstoff um weiterzuarbeiten. Um akzeptiert zu werden muß man als positives Beispiel voran gehen. Mitarbeitern sollte man Chancen zur Weiterentwicklung geben, sie ihre eigene Karriere machen lassen und ihnen nicht die Erfolge nehmen.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Durch Anerkennung. Wenn ich auf einen Mitarbeiter stolz bin, dann sage ich ihm das auch.Was bedeuten für Sie Niederlagen? Die Solidarnosc-Generation war für Niederlagen geboren und mußte stets mit Sanktionen rechnen. Wenn einem nichts passierte war man schon froh. Die größte Sorge meines Vaters war, daß ich wegen meines politischen Engagements ins Gefängnis kommen könnte. Obwohl ich eigentlich Pessimistin bin, die von den Menschen nicht zuviel erwartet, mache ich trotzdem weiter und bin überrascht, wenn etwas positiv ausgeht. Letztlich war es ein unglaublicher Erfolgsschub, daß es uns gelungen war, die Werte in unserem Bereich zu verändern und daß auch ich dazu etwas beitragen konnte. In meiner Parlamentszeit mußte ich lernen auch mit Menschen zu arbeiten, die mir ins Gesicht sagten, daß sie mich hassen und mich gern im Gefängnis sehen würden. Trotzdem hasse ich niemanden. Dadurch ist es mir über die Jahre hinweg sogar gelungen, daß ehemalige Todfeinde zuletzt traurig waren, als ich das Parlament verließ.Wie gehen Sie mit Mißerfolgen um? Im ersten Moment bin ich unangenehm betroffen, versuche aber daraus meine Schlüsse zu ziehen und weiterzumachen. Trost und Unterstützung finde ich innerhalb der Familie.Woraus schöpfen Sie Ihre Kraft? Ich bin gläubige Katholikin und hatte eine glückliche Kindheit. In meiner Familie zählt nur die Arbeit, ich bin hier nichts Besonderes. Für meinen Vater zählen keine Titel oder Positionen, sondern nur meine universitäre Karriere. Dadurch laufe ich auch nicht Gefahr eitel oder eingebildet zu werden.
Ihre Ziele?
Das Leben ist für mich eine Reise, nicht das Besteigen eines Berges. Im Parlament erreichte ich was ich wollte und fühlte mich anerkannt. Mein Ziel ist es nun ordentliche Professorin zu werden. Außerdem wünsche ich es mir die nötige Zeit zu haben, um Bücher fertig zu schreiben. Mit den Großen der Welt zu verkehren ohne die Tugenden und Freunde zu verlieren, ist eines meiner Leitsätze.Bekommen Sie ausreichend Anerkennung? Die größte Anerkennung für mich war, als ich nach acht Jahren das Parlament verließ und von allen Fraktionen Abschiedsgeschenke und positive Abschiedsreden erhielt. Nach vielen Niederlagen und Haßerklärungen war das ein echter Erfolg.
Ihr Lebensmotto?
Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Haben Sie Vorbilder?
Meine Mutter, die ihren Ansichten treu blieb, für die Gerechtigkeit kämpfte und daran letztlich starb. In der Literatur ist es Thomas Morus. Ein weiteres Vorbild ist Romoald Traugutt, der Führer des polnischen Aufstands gegen Rußland (1863). Mit der Gründung eines Untergrundstaates war er Erfinder des zivilen Ungehorsams. Sehr moralisch und standhaft prägte er mich durch seine vorbildliche Führungsrolle. Als Frau prägte mich Marie Curie, einer ihrer Sätze lautete: Man muß im Leben vor nichts Angst haben, wenn man seine Angst versteht.
Anmerkung zum Erfolg?
Ich hatte im Leben viel Glück, da ich mit vielen interessanten Menschen arbeiten konnte. Meinen Erfolg verdanke ich auch meinem guten Kontakt zu älteren, erfahreneren Menschen, von denen ich vieles lernte. Jungen Menschen würde ich ans Herz legen, sich die Erfahrungen der Älteren zunutze zu machen.