Zum Erfolg von Harry Jonny Beyer
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Ein kurzfristiger Erfolg ist Erfolg, aber nicht mehr. In meinem Fall kann man sich Erfolg nur vorstellen, indem man das gesamte Leben betrachtet. Wenn man sich das Leben als eine Leiter vorstellt, ist das Geheimnis des Erfolges, daß man die Stufen nur einzeln nimmt. Sonst rutscht man durch und fällt wieder nach unten. Wenn es einem gelingt, Schritt für Schritt durchzulaufen, wird man eher oben ankommen als jeder Hasardeur. Das ist sehr wichtig; und wenn man schon in jungen Jahren weiß, was man werden will, sich sozusagen zu etwas berufen fühlt, ist das die Grundlage des Erfolges, wenn man dem nachgibt. Dazu muß man in sich hineinhorchen, muß sich kennen und sich fragen, wie werde ich das, wie mache ich das. Dann beginnt der Prozeß des Aufbaus, des Lernens. Wobei jemand, der zu etwas berufen ist, keine Mühe hat, sich das nötige Wissen in seinem Bereich anzueignen. Er bekommt und hat es wie von selbst, weil er ohne Mühe wie ein Schwamm alles aufsaugt und immer besser wird. Erfolg gebiert Erfolg. Mir war bereits mit acht Jahren klar, was ich werden wollte. Mein Vater war Spediteur mit 19 Fahrern, diese brachten mir von den Umzügen Dinge mit, die mein Interesse für Antiquitäten weckten. Zum Beispiel eine alte Münze - ich versuchte herauszufinden, wer darauf abgebildet war. So verband sich das antike Stück mit Geschichtswissen, das kulminierte. Nach 1945 war natürlich nicht die Rede davon, daß man damit etwas anfangen konnte. Ich dachte damals, wenn du diesen Beruf aus Zeitumständen nicht ausfüllen kannst, so lerne ihn wenigstens, versuche alles aufzusaugen, was du in dieser Richtung bekommst, denn es kommt der Tag, an dem du es nutzen kannst. Anders als heute mußte man damals gelernter Kaufmann sein, um Antiquitätenhändler werden zu können. Also lernte ich Kaufmann, machte danach noch eine Werbeausbildung und schloß Tätigkeiten bei Fischland-Schmuck - Silber, Gold und Edelsteine - und Meißener Porzellan an. Ich betrieb natürlich zur selben Zeit parallel den Kunsthandel, baute den staatlichen Kunsthandel der DDR in der Stalin-Allee mit auf. Berlin hatte eine gewisse Internationalität, eine Spannung, die einem den Blick nach Ost und West ermöglichte. Ich eröffnete eines Tages in West-Berlin ein Geschäft - mit einem Fundus an Wissen und auch an Dingen, dann begann der Erfolg. Obwohl Berlin eine zerstörte Stadt war, gab es sehr viele Antiquitäten, die in den Sechziger Jahren auf den Markt kamen. Da die Deutschen kein Geld für Antiquitäten ausgaben, konnte man sie nur absetzen, indem man diese Objekte im großen Stil ins Ausland exportierte. Nach Amerika, Schweden und Mexiko. Ich bin seit 51 Jahren Händler und damit der dienstälteste Deutschlands. Durch das Wissen, Können, Talent und den Erfolg liebt man plötzlich den Beruf mehr als irgendeine Freizeitbeschäftigung. Denn der Spaß ist in einem selbst durch die Tätigkeit - das ist das Geheimnis. Vielleicht ist es ungerecht verteilt. Das Tun des Lebens teilt sich in zwei große Positionen auf - in Tätigkeit und in Vergnügen. Wenn man tätig ist und gleichzeitig Vergnügen an der Tätigkeit hat, wird man dafür noch bezahlt. Außerdem hat man während der Tätigkeit keine Möglichkeit, Geld auszugeben und wird alleine schon deshalb reich. Die andere Seite wäre, man hat nur ein bestimmtes Budget, keine Lust und keinen Erfolg in seinem Beruf, sucht dies nun außerhalb dieser Sache. Freizeit bedeutet, es kostet etwas. Zeit zu haben kostet Geld. Es gibt ein chinesisches Sprichwort, das sagt, Arbeit ist die einzige Möglichkeit, um am Leben nicht irre zu werden. Ich bin von einer so großen Neugierde beseelt, daß ich wissen möchte - wenn eine Leiter hundert Stufen hat - bis zu welcher Stufe ich komme. Darauf bin ich gespannt - das ist wie ein Spiel mit mir selbst. Wenn man von Erfolg spricht, könnte man sagen, er dokumentiert sich in Geld. Aber Geld ist nur ein Abfallprodukt, Arbeit erzeugt Geld. Erfolg ist, wenn man sozial großzügig sein kann, der Gesellschaft etwas gibt. Durch die Antiqua und meine anderen Tätigkeiten schuf ich Arbeitsplätze und bildete Lehrlinge aus, was sonst eigentlich kein Antiquitätenhändler macht. Auch das ist Erfolg, wenn die Leute, die ich ausbildete, alle selbst erfolgreich wurden. Eine davon, Birgit Gericke, ist jetzt seit 16 Jahren bei mir tätig und wird meine Nachfolgerin werden, wenn ich mich zurückziehe. Das sind soziale Aspekte des Glücks, wenn man nicht nur nimmt, sondern auch gibt - und zwar der Gesellschaft. Auch das ist ein Teil des Erfolges. Man muß gut zu sich sein, muß einen gewissen Optimismus haben und darf nicht das Maß im Fordern von Dingen überschreiten. Es hat auch etwas mit Erfolg zu tun, wenn man den gesellschaftlichen Aufstieg schafft. Berlin war zerstört. Ich wuchs im russischen Sektor auf und arbeitete mich zu dem, was ich heute bin, hoch. Ich bin eigentlich ein Dinosaurier des Kunsthandels, so etwas wie mich gibt es kaum mehr. Ich glaube, ich kenne fast die gesamte Kunstproduktion seit dem Jahre Null auf der Welt, nicht komplett, aber ich beherrsche sie; und wenn nicht, dann weiß ich, wo ich nachschauen muß. Das gibt es heute nicht mehr - heute haben die Antiquitätenhändler einen kleinen speziellen Bereich, zum Beispiel 1810 bis 1850 - Biedermeier-Möbel. Die sind so spezialisiert, daß sie zum Beispiel nur die Biedermeier-Kommode erkennen, aber das Fabergé-Ei, das darauf liegt, nicht.Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Eigenliebe. Ich sehe mich wie ein Kunstwerk und bin in der Lage, aus mir herauszutreten, mich aus drei Metern Entfernung anzuschauen und mich zu wundern, oder zu lachen. Nur ein Mensch, der sich selbst liebt, kann andere lieben und ihnen etwas geben. Jemand, der nicht mit sich zufrieden ist, hat auch eine negative Ausstrahlung. Wenn man erfolgreich ist, kann man auch sich selbst bewundern. Beim Erfolg ist es so, man macht es nicht des Geldes wegen, sondern auch, um besser als die Mitbewerber zu sein. Das ist eine Motivation, besonders für einen Mann, denn ein Mann kann sich eigentlich nur mit Erfolg schmücken - oder vielleicht mit Ämtern, Titeln, Preisen und Orden. Ich hatte eigentlich noch keine Rückschläge, bin beruflich durchgelaufen, ohne Schaden zu nehmen. Wenn ich Rückschläge erlitten habe, so waren dies Schicksalsschläge, aber auch das kaum. Vielleicht liegt das daran, daß ich als Kind Kinderlähmung hatte und dadurch ganz jung in einer Ausnahmesituation war, was mich früh veranlaßte, über mich und das Leben nachzudenken - und darin liegt eventuell der Grund des Gefühls, eine Ausnahme zu sein. Ich überwand die Krankheit ohne Schäden und machte dann zwölf Jahre lang Leistungssport (Schwimmen), um meine Muskulatur wieder aufzubauen. Dadurch war ich natürlich anders als die anderen. Das wiederum veranlaßte mich, darüber nachzudenken, was eine Ausnahme ist, wie ich diese überwinde und wie ich am besten noch besser als die anderen werde. Das war natürlich auch eine Motivation.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Die Kunden und Kollegen sagen, es ist ganz gleich, ob meine Mitarbeiterin etwas beurteilt oder ich, sie sagt fachlich das gleiche, das ist eine Einheit. Ich unterrichte viel, lehre und gebe mein Wissen weiter.Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Als ich meine Volontäre ausbildete, sagte ich ihnen unter anderem, wenn wir zum Ankauf in einem Haus sind, kommt es vor, daß Ihnen die Besitzerin etwas schenkt, das Sie vielleicht gar nicht haben möchten. Nehmen Sie es an, denn es gibt Menschen, die gern etwas geben und beleidigt sind, wenn man es ablehnt. Es ist schon vorgekommen, daß anschließend die Dame die Schmuckschatulle aufmacht und sagt, ich habe einen kleinen Ring von meiner Großmutter, der würde Ihnen passen und der Volontärin aus Freude am Schenken das Ringlein schenkt. Geschenke anzunehmen ist also eine Kunst, die gelernt werden muß. Es kommt dabei nicht darauf an, etwas zu erhalten, sondern Freude zu machen.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich nähere mich ja jetzt dem Tod; die größte Strecke meines Lebens habe ich bereits hinter mir. Ich bereite mich im Grunde genommen seit meinem 70. Geburtstag in all meinem Handeln und Tun auf den Abgang vor. Ich überlege mir zum Beispiel, was ich vielleicht Museen übergebe. Da ich einen normalen Lebensstandard habe, brauche ich diese Sachen, diese Gelder nicht. Ich machte mein ganzes Leben nichts anderes, als die Leiter in meinem Beruf hochzuklettern und ließ mich davon nicht ablenken. Freizeitvergnügen brauche ich nicht, da mir der Beruf ein höheres Vergnügen bietet. Freizeit bedeutet für mich nur Regeneration für den Erfolg, für die Tätigkeit - so ist die Freizeit gut angelegt. Erfolg macht mir mehr Vergnügen als die Betätigung in der Freizeit.