Zum Erfolg von Bilge Jeschim
Welche waren die wesentlichen Stationen Ihrer Karriere?
Ich bin gebürtige Türkin und wuchs als Akademikertochter in Istanbul auf. Dort besuchte ich ein Österreichisches Real Gymnasium, wo ich Deutsch lernte. Dem Wunsch meiner Eltern gemäß, sollte ich eigentlich Medizin studieren und die Praxis übernehmen, aber eine Bekannte meiner Turnlehrerin entdeckte zufällig mein tänzerisches Talent und empfahl mir, Ballettunterricht zu nehmen. Anfangs wollte mein Vater nichts davon wissen, aber meine Mutter förderte mich. Als ich im Rahmen eines Auftrittes einen Solopart übernehmen durfte und mein Vater mich tanzen sah, war auch er von meinem Talent überzeugt und sehr darauf bedacht, es zu fördern. Ich tanzte auf verschiedenen Bühnen in Istanbul, absolvierte parallel dazu eine Schauspielausbildung und machte noch während der Schulzeit eine richtige Ballettkarriere. Nach sieben Jahren hatte ich das Bühnenleben satt und wollte ein gutbürgerliches Leben führen, heiraten und Kinder bekommen. Ich heiratete einen Österreicher, absolvierte nachträglich die Matura und wollte nichts mehr mit dem Tanzen zu tun haben. Als ich nach Österreich kam, schlug ich eine Akademikerlaufbahn ein. Ich hatte einen sehr netten Professor, der wusste, dass ich einmal Tänzerin gewesen war und mich bat, die Mitternachtseinlage für einen Ball der Universität zu gestalten - und obwohl ich schon vier Jahre nicht mehr getanzt hatte, trainierte ich drei Monate lang und holte meine Kostüme aus der Türkei. Ich studierte sieben verschiedene Tänze in verschiedenen Kostümen ein und alle glaubten, sieben verschiedene Tänzerinnen zu sehen. Daraufhin legte mir dieser Professor nahe, mich auf das Tanzen zu konzentrieren - es gäbe Millionen von Akademikern, aber nur eine solche Tänzerin. Ausschlaggebend für meine tänzerische Karriere, war sicher mein zufälliges zusammentreffen mit Dr. Helmut Zilk, der mir sämtliche künstlerische Wege eröffnet hat. Natürlich musste ich selbst auch sehr viel tun, trotz allem wäre nicht diese zufällige Begegnung im Rathaus gewesen, wäre vielleicht alles anders gelaufen. Auch das Kulturamt verhalf mir sofort zu einigen Veranstaltungen, wo ich viele wichtige Kontakte schließen konnte und einige Jahre auf Tournee ging. Ermutigend war sicherlich auch mein Tanz- Engagement "Weihnacht in Vienna" im Rathaus / Festsaal, das ich mittlerweile schon seit mehr als 25 Jahren mache.
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Ich glaube zum Erfolg gehört in erster Linie sehr viel Selbstwertgefühl. Es ist ebenso notwendig wirklich von dem überzeugt zu sein, was man tut, als auch Disziplin und Ausdauer an den Tag zu legen. Man darf nie seine Linie aus den Augen verlieren. Auch ich habe in meiner Laufbahn gesehen, wie wichtig es ist, auch dann daran zu glauben, wenn es einmal nicht so gut läuft.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ich sehe mich selbst als sehr erfolgreich. Die Resonanz auf das, was ich tue, beweist es mir, und das schon seit vielen Jahren. Ich habe eine klassische Ballett Ausbildung, komme von der Istanbuler Oper, habe aber glücklicherweise rasch entdeckt, dass das klassische Ballett kurzlebig ist, da man oft in jungen Jahren schon zu alt für eine Rolle ist. So habe ich mir Alternativen gesucht, da mir persönlich so etwas nicht passieren sollte und wandte mich der ethnischen Linie zu, mit der ich sehr glücklich und auch erfolgreich bin.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ausschlagend war und ist meine Ehrlichkeit und meine Art 100% authentisch zu sein. Ich genoss eine sehr gute Ausbildung. Im tänzerischen Bereich verfüge ich über umfangreiches Wissen und eigene Erkenntnisse, die ich auch gut anwenden kann.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Ich bleibe meiner Linie treu und lege großen Wert auf Kommunikation. Ich finde es gehört zum Erfolg dazu, den Mut zum Gespräch zu haben.
Ab wann empfanden Sie sich als erfolgreich?
Eigentlich ab der Eröffnung des Studios, zuerst war ich in einigen kleinen Studios auch zur Untermiete, doch dann wurde ich von den Nestroy-Spielen in Schwechat gebeten, zehn Schauspielerinnen einige Bauchtanzbewegungen beizubringen. .Alle Zehn wollten auch nachher noch Bauchtanz lernen und so brauchte ich ein Studio. Mittlerweile bin ich seit 18 Jahren hier im Fürstenstöckl neben der Wagenburg im Schloss Schönbrunn.
Ist Originalität oder Imitation besser um erfolgreich zu sein?
Originalität auf jeden Fall, von Imitation halte ich überhaupt nichts, man kann nicht sein ganzes Leben etwas imitieren.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Eigentlich viele, viele Menschen denen ich tagtäglich begegne, prägen mich. Ich mache durch die Begegnung Erfahrungen, die auch die Seele berühren, und lerne für mich selbst sowohl menschlich als auch künstlerisch dazu.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Eine wirklich schöne Anerkennung habe ich durch meine Tänzerinnen erfahren, als ich krank war. Sie haben mich mental getragen. Es hat mir gezeigt, dass sie mich auch privat wertschätzen. Das hat mir sehr viel Kraft und Energie gegeben.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Eigentlich keines, ich kenne keine Probleme die nicht lösbar sind, vielleicht ist die Lösung nicht ideal, aber es gibt für alles eine Lösung.
Wie werden Sie von Ihrem Umfeld gesehen?
Erfahrungsgemäß sehr freundlich liebevoll, sehr menschlich und offen, vor allem sehr herzlich das liegt auch an meinen orientalischen Wurzeln.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Sehr wichtig sind meine Tänzerinnen, denn Erfolg ist nicht eine Ein-Personen-Sache, daran sind viele beteiligt, vor allem in einem Tanz Studio, ich kann eine wunderschöne Choreografie machen, aber wenn ich nicht die Tänzerinnen habe, die diese mit mir realisieren, dann wird auch nichts daraus.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Ich führe immer wieder Gespräche und agiere mit sehr viel Feingefühl, beachte auch immer, was gut ankommt. Ich versuche positive Energie zu geben, das motiviert.
Wie werden Sie von Ihren Mitarbeitern gesehen?
Ich glaube sehr menschlich, trotz meiner gesundheitlichen Tiefpunkte habe ich meine positive Lebenseinstellung nicht verloren und diese habe ich auch meinen Tänzerinnen immer wieder gezeigt. Durch ihre Reaktionen habe ich viel Kraft erfahren und konnte dadurch eine Leitfigur sein.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Es liegt im Wesen der Kunst, die Seele von der Alltagslast zu befreien und Freude zu bringen.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Sehr gut, zumal ja meine privaten Räume auch meine beruflich genutzten sind. Gerade in meinem Beruf lässt sich das Berufliche und das Private gar nicht trennen. Die Choreografie, die Tänze, alles was ich schreibe, was ich den Damen beibringe, ist ein Teil meiner Seele, meines Ichs.
Wie viel Zeit verwenden Sie für Ihre Fortbildung?
Ich bilde mich ständig durch die Beobachtung meines Umfeldes, seien es die Menschen, oder die Natur fort. Im Urlaub zum Beispiel habe ich die Wellen im Meer und den Wind beobachtet und das inspirierte mich wiederum zu neuen Choreografien.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Seid ehrlich, seid von dem überzeugt, was ihr macht, und arbeitet an euch. Darüber hinaus ist meiner Meinung nach eine gute Basis, etwas Fundiertes, auf dem man dann aufbauen kann, wichtig.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Gesund zu sein, gesund zu bleiben, damit ich meinen sehr geliebten Beruf weiter ausüben kann und auch mein wertvolles Privatleben zu genießen.
Ihr Lebensmotto?
Mein Lebensmotto ist immer wieder schauen, immer wieder entdecken, dass es ein halbvolles Glas gibt. Immer positiv bleiben.