Zum Erfolg von Eugen Jesser
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg bedeutet für mich, meine eigenen Visionen in Abstimmung mit meinen Kollegen verwirklichen zu können. Im konkreten Fall heißt Erfolg für mich, die Wiener Sängerknaben in eine vielversprechende Zukunft zu führen, in der sie die derzeitige Spitzenposition in der Welt erhalten können.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ohne überheblich wirken zu wollen, sehe ich mich durchaus als erfolgreich, wobei der Rückhalt meiner Familie von besonderer Bedeutung ist. Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig, daß ich mich auf hervorragende Mitarbeiter stützen kann.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ich denke, man braucht ein wenig Fortüne und auch Hilfe von oben. Ich bin ein teamorientierter Mensch, der keine einsamen Entscheidungen trifft. Ich bespreche mich mit meinen Mitarbeitern und entscheide erst danach im Konsens. Natürlich bedarf es auch eines gewissen Arbeitseinsatzes, und diese Arbeit, die ich als hohe Ehre sehe, macht mir große Freude.
Ab wann empfanden Sie sich als erfolgreich?
Das erste Mal hatte ich das Gefühl, erfolgreich zu sein, als es mir im Bildungsministerium gelang, die Zahl der Schulen, die bundesweit an der sogenannten Wien-Aktion teilnehmen, deutlich zu erhöhen. Erfolgreich fühlte ich mich auch, als ich zur Hofmusikkapelle kam und merkte, daß hier meine Vorstellungen gut angenommen wurden. Ebenso fühle ich mich in meiner jetzigen Position erfolgreich, da ich immer wieder merke, daß die Wiener Sängerknaben überall als kulturelles Paradeunternehmen Österreichs gesehen werden. Es freut mich auch, daß es mir gelungen ist, in einer schwierigen Zeit öffentliche Unterstützung für die Wiener Sängerknaben zu bekommen. Ein besonderer Erfolg war auch, die Familie Pühringer als Generalsponsor für die Sanierung unserer Gebäude zu gewinnen.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Früher wurde in den Familien sehr viel mehr Hausmusik betrieben, was heute nicht mehr der Fall ist, sodaß die musikalische Vorbildung unserer Buben heute nicht mehr so ausgeprägt ist wie früher. Auch haben Internate in Österreich keine Tradition, sodaß Eltern sich relativ schwer dazu entschließen, uns ihre Söhne anvertrauen, obwohl es durchaus Studien über die Vorteile des Internates gibt.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Ich glaube nicht, daß man einen Kulturbetrieb mittlerer Größe, bei dem es eine deutliche Erwartungshaltung des Publikums gibt, alleine und ohne Einbindung der Mitarbeiter betreiben kann.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus?
Natürlich gibt es Aufnahmegespräche. Ich verlasse mich bei der Auswahl meiner Mitarbeiter sehr stark auf mein Gefühl.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Ich achte auf eine angenehme Atmosphäre und ein gutes Arbeitsklima und gestatte, daß meine Mitarbeiter ihre Anwesenheit den jeweiligen Arbeitserfordernissen anpassen. Ich spare auch nicht mit Lob, wenn dies gerechtfertigt erscheint.
Wie werden Sie von Ihren Mitarbeitern gesehen?
Die Wiener Sängerknaben standen lange Zeit in dem Ruf, sehr streng zu sein. Ich denke, daß mein Führungsstil wohl weniger autoritär ist als früher.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Unsere größte Stärke ist sicherlich das größte Repertoire aller vergleichbaren Institutionen der Welt, das vom Mittelalter bis heute reicht. Wir singen in der Staatsoper, der Volksoper, bei den Salzburger Festspielen, jeden Sonntag in der Hofburgkapelle, etc. Wir haben ausgezeichnete Stimmbildner und Kapellmeister, die eine außergewöhnliche Ausbildung und eine hervorragende Erziehung garantieren. Ich denke auch, daß die Buben bei uns sehr gut aufgehoben sind und in einer sehr vertrauensvollen Atmosphäre aufwachsen, sie können sich jederzeit mit all ihren Problem an eine Person ihres Vertrauens wenden. Schließlich sind die Wiener Sängerknaben auch eine weltberühmte Marke.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Meine Frau würde sagen, das Privatleben kommt zu kurz. Ohne das Verständnis meiner Frau wäre es mir sicherlich nicht möglich, diese Aufgabe zu erfüllen. Ich schöpfe sehr viel Kraft aus der Familie.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Die nächste Generation wird es sicherlich schwerer haben als wir. Die jungen Menschen sollten sich einen Beruf aussuchen, der ihnen Freude macht, und ihr Vorhaben dann konsequent durchführen, ohne sich von äußeren Einflüssen davon abhalten zu lassen.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Eines unserer wesentlichsten Ziele ist die Realisierung des Projektes des eigenen Theaters und Konzertsaales, das eine ganze Reihe von Vorteilen für die Institution und insbesondere eine Entlastung für unsere Sängerknaben mit sich brächte. Es wäre auch wünschenswert, daß daraus vielleicht ein europäisches Zentrum der Kinderoper entsteht. Dies wäre auch für die Nachwuchspflege von großer Bedeutung, denn mit diesem Veranstaltungsort können wir auch die Kinder aus dem Umland nach Wien holen. Darüber hinaus muß man sich bei der Leitung eines Kulturbetriebes ständig die Frage stellen, was man noch verbessern kann.