Zum Erfolg von Herbert J. Pichler
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg kann ideell und materiell sein. Erfolg bedeutet Anerkennung im Beruf, in meinem Fall auch Anerkennung der wissenschaftlichen Leistung, die bei mir sehr viel in Entdeckungen bestand. Diese haben mir aber meist mehr Feinde als Freunde eingebracht. Aber auch Neid ist eine Form der Anerkennung und damit des Erfolges. Auf der anderen Seite verdiente ich mit meinen beiden Pharmaunternehmen sehr viel Geld und konnte jeden sehenswerten Flecken dieser Erde zwischen Arktis und Antarktis, zwischen Amerika und Asien bereisen.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ich kann nicht leugnen, daß ich sehr erfolgreich bin. Trotzdem sehe ich auch die Rückschläge, die ich erfahren habe. Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Ich glaube, daß jeder Erfolg zuerst mit einem Mißerfolg beginnt. Dann muß man den Charakter haben, den Mißerfolg so lange festzuhalten, bis er zum Erfolg wird. Eine wirkliche Entdeckung besteht ja darin, daß etwas anders ist als bisher angenommen. Ein internationaler Erfolg kommt also zustande, indem man gegen bestehende Ansichten losgeht. Gegen diese geschlossene Front muß man sich durchsetzen, und an seine Idee muß man glauben. Wichtig ist auch, daß man Freunden hilft und Freunde hat, die einem helfen, wenn es einem selbst nicht so gut geht. Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat? Ich hatte das Glück, eine ganz wunderbare, hochbegabte Mutter zu haben. Sie wäre vielleicht eine der größten Schauspielerinnen deutscher Zunge geworden, aber damals war für ein Mädchen aus bürgerlichem Haus der Schauspielberuf nicht akzeptabel. Meine Mutter Anna war Gouvernante und erzog im Fürstentum Liechtenstein neun Jahre lang vier Prinzessinnen und zwei Prinzen. Von ihrer Tätigkeit und ihrem Wissen profitierte auch ich als Kind - auch wenn ich manchmal lieber Fußballspielen gegangen wäre, anstatt Violine und Fremdsprachen zu lernen. Sie achtete sehr auf Disziplin, und ich war im Gymnasium von der ersten bis zur achten Klasse Primus. Ich war aber kein ehrgeiziger Streber, sondern lernte sehr leicht. Meine Lehrer erkannten das und empfahlen mich immer wieder weiter. Später hatte ich das große Glück, Genies wie Professor Schrödinger oder Wernher von Braun kennenzulernen und zu sehen, wie solche Persönlichkeiten agieren. Auch dem großen Komponisten Richard Strauß begegnete ich und konnte ihm helfen, nach dem Krieg in die Schweiz auszureisen. Es gab viele wunderbare Menschen, die mich beeindruckten oder gar prägten. Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus? Es gibt kein allgemeingültiges Rezept. Wichtig ist es, im Laufe der Zeit eine gewisse Menschenkenntnis zu erwerben, um Mitarbeiter oder Bewerber halbwegs beurteilen zu können. Man muß die Talente und Stärken der Mitarbeiter erkennen und sie mit den entsprechenden Aufgaben betrauen.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Man muß die Mitarbeiter zwar führen, ihnen aber auch freie Hand lassen, wenn sie begabt sind. Ich schenke ihnen Vertrauen und unterstütze sie. Dadurch entsteht eine Atmosphäre, in der jeder freudig mitarbeitet. Wir kommen um die Mittagszeit zusammen und diskutieren anstehende Probleme. Natürlich werden sie gut bezahlt, aber das ist nicht entscheidend. Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens? Wir haben zwei Produktlinien: Hals-Nasen-Ohren-Präparate und Medikamente, die in der Weltraumforschung entwickelt wurden, beispielsweise gegen Schwindel oder gegen die Raumkrankheit. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen und haben vor einiger Zeit beschlossen, nicht an die Börse zu gehen, weil wir kein Interesse an feindlichen Übernahmen haben. Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Man sollte in der Gesellschaft Leute kennen, denen man vertraut und die man um Rat fragen kann. Es ist nicht zielführend, sich blind in ein Abenteuer zu stürzen. Man muß ja nicht jeden Rat befolgen, aber man kann zumindest abwägen. Ich selbst kann nur den Rat geben, daß junge Leute die Augen aufmachen und das Leben bejahen sollen - und daß sie das Lernen nicht als Qual, sondern als Freude empfinden.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich bin Jahrgang 1921 und glücklich, daß ich noch immer sehr viel zu tun habe und ein interessantes Leben führe. Diesen Trend zu Frühpensionen halte ich für falsch. Auch Menschen in Altersheime zu stecken, wo sie nur den Jammer der anderen sehen, ist wenig erfreulich.