Zum Erfolg von Adi Hirschal
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Es ist ja leichter, Erfolg zu erlangen, als ihn auch zu halten - wenn man etwas erreicht hat, darf man nicht warten und sich zurücklehnen, um seinen Erfolg quasi zu verwalten, man muß viel eher so tun, als wäre nichts gewesen. Das Wasser, das ins Meer fließt, ist erfolgreich, denn dort gehört es hin - und solange es dort nicht angekommen ist, hört es nicht auf zu fließen, aber sobald es im Meer ist, steigt es wieder auf, um sich in Regen zu verwandeln und zum Fluß zu werden. Erfolg ist ein Kreislauf, der nie endet. Erfolg ist Fragen und Antworten, Neugierde, Bewegung. Eine Lösung ist für mich der Tod, die Vorstellung eines endgültigen Erfolges für mich grauenhaft - ich habe in diesem Sinne noch nie etwas gelöst.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ich bin erfolgreich - mit sehr viel Respekt, Demut und sehr großer Vorsicht, wohlwissend, wie fragil Erfolg ist. Es ist mir auch sehr präsent, wie privilegiert ich bin, weshalb ich mich auch immer wieder für die Gruft einsetze, und ich bin mir dessen bewußt, daß mir sehr viel gegeben ist. Für meine Stimme kann ich ja nichts, sie ist ein Geschenk, aus dem ich - gar nicht sonderlich ambitioniert - etwas machen konnte. Mir ist außerdem wichtig, mich um mich selbst zu kümmern, so habe ich das Rauchen aufgegeben und gehe ins Fitneßstudio, um nicht vor der Zeit zu altern.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Mein Theatercredo ist Authentizität, und ich glaube, das ist der Grund für meinen Erfolg. Ich bin ein absolut sturer Mensch und gebe nicht auf, bis ich da bin, wo ich hin wollte. In mir ist der unbedingte Glaube an Qualität, und ich glaube nicht, daß sich irgendetwas auf Dauer durchsetzen kann, das keine Qualität hat. Meine Stärke liegt darin, andere begeistern zu können, was wichtig ist, weil es ja an sich eine seltsame Form der Arbeit ist, Ideen in die Realität umzusetzen. Ich bin ein guter Motivator und ein guter Netzwerker, in meinem Umfeld entsteht ständig Neues, außerdem bin ich gut im Visualisieren von Vorstellungen, sodaß Leute sich ein Bild machen können. Bewegung ist ein essentieller Faktor des Erfolges, und zwar insofern, als ich im Grunde ein sehr fauler Mensch bin, der sich von Dingen bewegen läßt, was mich vielleicht zum flexibelsten Menschen Österreichs macht. Diese Faulheit ist aber auch wichtig, um Kreativität entwickeln zu können. Das Geheimnis meines Erfolges lautet wahrscheinlich schlicht: ich will, statt ich muß. Wenn ich etwas nicht machen will, mache ich es auch nicht.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Mit dem Entscheiden ist es so eine Sache, denn Entscheidungen haben für mich etwas Endgültiges, und das widerstrebt mir. Es löst sich vieles von selbst, man muß nur vertrauen. Genauso wenig wie ich auf Befehl etwas produzieren kann, kann ich mich auf etwas festlegen, wenn ich es nicht spüre. Ich kann warten. Inspiration kommt ja nicht von einem selber, sondern braucht Zutaten und die Bereitschaft bzw. den richtigen Zeitpunkt, die Botschaft zu hören. Es ist wie mit dem Kochen: das beste Fleisch ist das, das lange auf kleiner Hitze geköchelt hat.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Es hat in meinem Leben Momente gegeben, in denen Menschen etwas machten, das mich in Bewegung versetzte. Solche Menschen waren zum Beispiel Giorgio Strehler oder Peppi Meinrad, der mich bewegte, weil ich mit ihm spielen durfte, und ein so netter, bescheidener Mensch ist. Auch die Nicoletti hat mich bewegt, als sie sagte: Du bist gut. Das ist wie ein Stück Brot, das braucht man zum Leben. Diese Art von Unterstützung möchte ich gern als Lehrer weitergeben.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Ich bin sehr glücklich mit meinem Beruf, der eine wunderschöne und edle Form ist, mein Leben zu bestreiten; aber er ist nicht mein Leben, wiewohl er sich daraus speist. Ich habe das Theater noch nie überschätzt. Wer im Theater arbeitet und glaubt, dort eine Mission zu haben, macht sich in meinen Augen etwas lächerlich. Man darf nie vergessen, daß Schauspieler im Grunde Leute nachmachen. Beim Singen hingegen schlüpfe ich in keine Rolle; es ist wahrscheinlich das Persönlichste, das ich zu geben habe. Wenn du als Sänger zu klingen beginnst, ist das ein erhebendes Erlebnis - und immer zur Ehre eines Tons. Wichtig ist mir, mir die Balance zu erhalten, die ich brauche, als Ausglich zur Aktivität ist eine gewisse Passivität einfach notwendig, denn wenn ich eine Zeit lang zu aktiv bin, werde ich leer. Ich setze mich gern mit meiner Frau ins Auto, ohne Ziel, um in Richtung Süden zu fahren und zu sehen, wo wir stehenbleiben möchten. Überhaupt erhole ich mich beim Autofahren sehr gut, wenn ich nirgendwo hin muß.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Junge Schauspieler - ich lehre selbst und sehe darin auch meine Berufung - versuche ich sich selbst zu erschließen, denn wer sich selbst nicht versteht, kann keine Rolle spielen. Als Lehrer geht es mir darum, jemanden sich selbst zu schenken und so das gestalterische Element freizuschaufeln. Selbstbewußtsein im wahrsten Sinne des Wortes ist ungemein wichtig; sich selbst als Teil des Spieles oder der Inszenierung zu empfinden, eröffnet einen unglaublichen Gestaltungsfreiraum, dann ist man mächtig. Und Macht, das ist es ja, was ein Schauspieler möchte, wenn er auf der Bühne steht. Er will, und das kann ich ja von mir selbst auch nicht verleugnen, daß jeder schaut, was er macht. Jungen Schauspielern sage ich das auch immer wieder: Gib zu, daß es dir Spaß macht, auf der Bühne zu stehen. Wenn du die Welt verändern willst, werde Politiker, als Schauspieler bleib am Boden und gestehe dir ein, daß du gesehen werden willst.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ein Ziel ist spitz und auf etwas gerichtet, so etwas habe ich nicht, denn es ist mir vom Wesen her unsympathisch. Ich bin bereit für das, was passieren kann, das reicht. Ich möchte nichts hinterlassen, weil ich nicht glaube, daß das wichtig ist, zumindest nicht in der Schauspielerei, die eine sehr flüchtige Kunst ist. Ich möchte ein Meister werden. Ich möchte etwas sehr gut können und wie ein Handwerker, der einen sehr schönen Tisch fertigt, etwas Ebenmäßiges, Maßvolles finden.