Zum Erfolg von Reinhard Graf
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Im Laufe der Zeit wandelt sich dieser Begriff. Früher bedeutete für mich Erfolg, wenn ich Ehrungen im Zusammenhang mit meinen wissenschaftlichen Erfolgen erfahren durfte. Heute verleiht mir ein inneres Gefühl der Zufriedenheit, wenn Patienten unser Haus nach ihrer Genesung zufrieden wieder verlassen. Oder wenn ich sagen kann, dieser Tag hat sich gelohnt.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Diese Frage möchte ich relativieren. Erfolg kann auch im kleinen liegen. Wenn ein Bauarbeiter in der Hitze des Tages seine Arbeit verrichtet, ist er genauso erfolgreich, wie wenn wir einen Patienten zusammenflicken. Die Arbeiten sind nicht gleich, sie sind gleichwertig.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Die Gunst der Stunde! Ich hatte Glück, in eine gute Zeit hineingeboren worden zu sein. Aber besonders auch meine grenzenlose wissenschaftliche Neugierde, als Triebfeder meiner Forschungsarbeiten.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Primär einmal mit einem uneingeschränkten Optimismus. Es gibt nichts, was es nicht gibt und was man nicht bewegen könnte. Man muß mit einer absolut positiven Einstellung an die Problemstellung herangehen. Ich sage auf jeden Fall, das geht - wenn ich auch noch nicht genau weiß, wie. Dazu gehört auch eine gewisse Kompromißbereitschaft.
Ab wann empfanden Sie sich als erfolgreich?
Mit Erreichen jeder Karrierestufe freue ich mich, empfinde ich mich als erfolgreich. Früher hatte ich große Ziele vor Augen, und wenn ich diese erreicht hatte, war ich erfolgreich. Heute bewerte ich mich jedoch als erfolgreicher, weil ich das tägliche positive Geschehen als Erfolg ansehe. Man muß sich dazu seine wissenschaftliche Neugierde unbedingt bewahren.
Ist Originalität oder Imitation besser, um erfolgreich zu sein?
Wir steigen alle auf den Schultern unserer Lehrer hoch, daher verachtet mir die Meister nicht! Die erste Stufe ist immer die Imitation. Schüler werden von ihren Lehrern geprägt, und manche verhalten sich genauso wie ihre Lehrmeister. Diese Phase ist für die persönliche Weiterentwicklung von großer Bedeutung. Ab einem gewissen Stadium muß man jedoch seinen eigenen Weg gehen, also seine Originalität finden. Anders ausgedrückt, besteht ein Experte aus einem Declaimer, also jemandem, der angelerntes Wissen wiedergibt, und einem Prozessoiden, welcher neue Wege, also lösungsorientierte Prozesse sucht.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Ja, mein Lehrer und Vorgänger hier im LKH Stolzalpe, Primarius Professor Dr. Hermann Buchner, und meine Frau, weil sie meinen beruflichen Werdegang mit allen Belastungen mitgetragen, mich begleitet und unterstützt hat.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Viele nationale und internationale wissenschaftliche Auszeichnungen, Ehrungen, Forschungsaufträge und Mitgliedschaften, Einladungen zu Vorträgen und Abhaltung von Kursen weltweit.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Die Frage der zukünftigen Finanzierung unseres Gesundheitssystems stellt ein Problem dar. Wieviel ist uns tatsächlich Gesundheit wert, was darf was kosten, und wer bezahlt? Manche verwechseln die Gesundheitsinstitutionen mit einem Selbstbedienungsladen. Man ist nicht bereit, zur Wahrung der eigenen Gesundheit etwas beizutragen, verlangt aber die uneingeschränkte Versorgungsleistung. Solange die Stange Zigaretten weniger kostet als der Krankenkassenbeitrag, gibt es keinen sichtbaren, ernstzunehmenden Lösungsansatz.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Die Stärken unseres Institutes liegen in seiner flachen Hierarchie. Bereits 1988 habe ich begonnen, Spezialistengruppen zu bilden, denen Teilgebiete zugeordnet wurden, um absolute Spitzenmedizin zu betreiben, verbunden mit der Einräumung einer gewissen Selbständigkeit. In diesem System hat jeder Arzt große Freiräume für spezielle Entwicklungen und kann Erfolge für sich selbst in Anspruch nehmen und einfahren. Wir haben neben dem Qualitätsmanagement auch ein Risikomanagement eingerichtet, um Wiederholungen von Fehlern zu vermeiden. Wir Ärzte, vom Chefarzt bis zum Turnusarzt, tauschen uns auch in einem Forum aus, in dem jeder seine Meinung äußern kann, um eventuell aufgetretene Spannungen abzubauen.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Mein Beruf ist mein Hobby! Man muß sich am Abend etwas vornehmen, woraus man am Folgetag Freude schöpfen kann. Einmal am Tag sich selbst etwas Gutes tun - und nicht darauf warten, bis dieser Umstand eintritt.
Wieviel Zeit verwenden Sie für Ihre Fortbildung?
Berufliche Fortbildung findet jeden Tag bei jedem fachlichen Gespräch statt, darüber hinaus bei Symposien, Tagungen oder Schulungen und selbstverständlich an der Universität.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Seid neugierig! Entwickelt diese wissenschaftliche Neugierde, welche für Forschung und Weiterentwicklung unabdingbare Voraussetzung ist.
Ihr Lebensmotto?
Neugierig sein! Und weiters: Warum irrte Moses 40 Jahre in der Wüste herum? Weil er zu stolz war, um nach dem Weg zu fragen! Dieser Witz beschreibt mein Lebensmotto: Fragen, fragen, fragen…. Wenn man fragt, weiß man, daß man noch lange nicht alles weiß. Ein drittes Lebensmotto lautet: Sei freundlich zu allen, denen du auf dem Weg nach oben begegnest, denn auf dem Weg nach unten triffst du sie wieder!