Zum Erfolg von Jan Gottlieb Jiracek von Arnim
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg ist für den Musikerberuf etwas ganz essentielles - niemand kann auf Dauer als Musiker bestehen, wenn er ihn nicht verspürt, weil die Musik etwas ist, das er mit seinem Publikum teilen möchte. Das Publikum in seinen Bann zu ziehen ist nur dann möglich, wenn man als Musiker erfolgreich ist. Auf der Bühne ist man ein Medium, das versuchen muß, die Emotionen des Komponisten weiterzugeben, wobei es entscheidend ist zu begreifen, daß es dabei nicht um einen selbst geht, sondern im Grunde um die Musik; gleichzeitig benötigt man die positive Rückbestätigung des Publikums, um in sich ruhen zu können. Erfolg ist daher für mich letztendlich Notwendigkeit und Ansporn zugleich. Erfolg als Künstler kann man wahrscheinlich nur dann haben, wenn man die Bereitschaft zum Scheitern in sich trägt und bereit ist, diesen Weg zu gehen. Wenn man sich mit etwas zufrieden gibt, das funktioniert hat, bedeutet das Stagnation und somit den Anfang vom Abstieg. Insofern ist Erfolg auch etwas Gefährliches.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Man kann nicht sagen, und das ist auch eine Erfahrung, die ich als Lehrender immer wieder mache, „ich werde Musiker“. Im Grunde sucht die Musik einen aus, man muß sich gewissermaßen einer Kraft anvertrauen und ihr ausführendes Instrument werden. Nicht ich spiele, es spielt mich. Als Musiker ist man immer nur so gut wie der letzte Ton, den man gespielt hat; das Rüstzeug ist Talent und Fleiß. Im Grunde muß man sich jeden Abend neu beweisen und darf sich nicht auf dem Erreichten ausruhen. Ich denke, daß es sehr starke Parallelen zwischen Musikern und Managern gibt: habe ich in einer Firma ein gutes Produkt, das ich nicht ständig verbessere, werde ich irgendwann den Abstieg beginnen, und genauso ist es in der Musik. Nur wenn man immer nach Verbesserungen strebt, kann man seinen Level halten. Wesentlich ist dann auch Kreativität; der Mut, durch die eigene Interpretation etwas Neues zu schaffen. Man beginnt mit jedem Werk wieder von vorne, und es muß in jedem kreativen Prozeß auch immer die Phase geben, in der man sich nicht sicher ist. Wenn dann der Punkt kommt, an dem man auf die Bühne geht, muß man jedoch ganz genau wissen, was man tut. Ausschlaggebend für meinen Erfolg ist neben vielen anderen Faktoren in jedem Fall die Freude an der Musik.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Ich liebe Herausforderungen und würde bei vielen Werken sehr viel darum geben, sie noch einmal ganz neu entdecken zu dürfen und sie zum erstenmal zu hören. Der kreative Prozeß des Entdeckens und Annäherns ist ungemein spannend, der Hunger nach Neuem ist wohl etwas, das jeder Musiker in sich trägt. Die Schwierigkeit liegt eher darin, ein Stück auch noch nach einer 30 Konzerte umfassenden Tournee immer wieder mit derselben Frische zu spielen; dazu ist es notwendig, sich bisweilen zurückzuziehen und es ruhen zu lassen, ehe man es wieder hervorholt, um dann zu versuchen, unvoreingenommen wieder an den Kern zu gehen und nicht daran zu denken, wie man es sich angeeignet hat. Im übrigen denke ich, daß man diese Dinge nicht lernen kann. Es reicht nicht, die Regeln zu kennen - es ist der Musenkuß, den man immer wieder braucht, darüber hinaus das Charisma, damit das Publikum einem vertraut und folgt, damit man überzeugt.
Ist Originalität oder Imitation besser, um erfolgreich zu sein?
Imitation wird in der Musik von manchen Schülern ja in einem hohen Maße genutzt, indem sie berühmte Interpretationen, beispielsweise von Glenn Gould oder Horowitz, nachgerade sezieren, um sie dann genauso zu spielen. Das funktioniert in der Musik aber nicht, weil die eigene Kreativität, das innere Feuer, die Echtheit zählt. Alles andere ist müder Abklatsch, weil Musik wie die Liebe aus dem Innersten kommen muß.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
In der Musik ist es so, daß man sich nie für die Schule, sondern immer für einen Lehrer entscheidet. Mit 16 Jahren hatte ich einen Kursus bei Hans Leygraf, einer Koryphäe meines Faches, absolviert, der mir von sich aus anbot, sein Schüler zu werden und am Mozarteum Unterricht bei ihm zu nehmen. Diese Tatsache empfinde ich noch heute als großes Glück, sie war für mich damals eine sehr hohe Anerkennung. Hans Leygraf war, wie schon zuvor meine Klavierlehrerin, eine prägende Persönlichkeit, die mich weiter erzog und der ich unglaublich viel zu verdanken habe. Mein Unterricht am Salzburger Mozarteum war eine äußerst prägende Zeit. Ich fuhr damals jeden Freitag mit dem Nachtzug nach Salzburg und kehrte am Montag früh zurück. Interessanterweise hatte ich nicht das Gefühl, wenig Zeit zu haben, und wurde damals auch in der Schule besser, weil ich mir ein sehr gutes Zeitmanagement aneignete und lernte, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Ich empfand diese Ausbildung als aufregend und spannend und hatte niemals das Gefühl, etwas zu verpassen. Diese Zeit festigte in mir auch den Entschluß, mich der Musik zuzuwenden, obwohl ich auch mit dem Gedanken spielte, in die Medizin zu gehen. Prägend waren auch meine Eltern, selbst Musiker, die mich nie unter Druck setzten, was meine Berufswahl anbelangte, mich aber immer dazu anhielten, diszipliniert meinem Weg zu folgen und durch zahlreiche kulturelle Aktivitäten mein Aufblühen förderten, mich stützten und mir Kraft gaben. Claudio Arrau war für mich in künstlerischer Hinsicht insofern prägend, als er ein echter Universalist mit einem riesigen Repertoire war, der sich nie festlegen ließ. Auch ich selbst habe mich, eingedenk der Aussage von Arrau, daß ein Baum umso fester steht, je mehr Wurzeln er ausprägt, nie spezialisiert.Welche sind die Stärken Ihres Instituts? Ich glaube, daß eine der ganz wesentlichen Stärken von Wien seine sehr lebendige Tradition ist. Durch die besondere Geschichte der Stadt ist hier etwas gewachsen, das einmalig ist. Ich empfinde es als ungemein inspirierend, in Wien zu leben, weil ich hier überall auf Spuren der Künstlerpersönlichkeiten treffe und mich ihnen auf eine Art nahe fühle. Gerade in der Musik geht es um Schwingungen, die man - das entsprechende Sensorium vorausgesetzt - fühlen muß, um sie wirklich verstehen zu können. Nach wie vor bietet mir diese Stadt täglich Neues, so habe ich das Gefühl, bisher nur einen Bruchteil dessen kennengelernt zu haben, was sie mir bieten kann.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Stay foolish. Man soll sich nie für irgendwas zu schade sein und sich nie mit dem Erreichten zufrieden geben. Aus der Sicherheit heraus schafft man nichts Neues, daher muß man immer bereit sein, Risiken einzugehen.
Ihr Lebensmotto?
In der Ruhe liegt die Kraft.