Zum Erfolg von Ernst M. Stern
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Für mich ist es Erfolg, persönliche Befriedigung mit meiner Tätigkeit zu erreichen. Erfolg ist, Freude an der Arbeit und an dem Umgang mit dem Medium Buch zu haben und dafür Anerkennung von der Umwelt zu ernten. Allerdings wird Erfolg dann vielleicht durch äußere Umstände geschmälert.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Also wirtschaftlich gesehen noch nicht, was aber Anerkennung, Bekanntheit und kulturelle Funktion betrifft, empfinde ich mich doch als erfolgreich. Durch den Umbau des jetzigen Geschäftslokales ist der Umsatz der letzten zwei Monate komplett verbraucht worden. Gibt es Jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat? Meine Eltern haben mir gesunden Ehrgeiz mitgegeben. Vorbilder hatte ich in meiner Jugend schon, aber nicht im wirtschaftlichen Sinne. Meine Frau spielt eine außerordentlich wichtige Rolle, sie hat einen starken Charakter und ich kann aus Meinungsverschiedenheiten mit ihr viel Produktives gewinnen.Welche Anerkennung habe Sie erfahren? Das gesellschaftliche Feedback ist in meinem Fall besonders wichtig, schließlich sprechen wir ein ganz bestimmtes Käuferklientel an. Wir wagten das anfangs nicht zu hoffen, aber wir sind doch über die Jahre zu einer Art kultureller Institution geworden. Das verschafft natürlich Befriedigung. Eigentlich hat meine Frau das Geschäft gegründet, indem sie in kleinem Rahmen begonnen hat, Bücher zu bestellen und weiterzugeben. Obwohl mit der Zeit größere Bestände an Büchern anfielen, sodaß wir uns um einen Lagerraum umsehen mußten, übernahm meine Frau die Trafik ihres Vaters, anstatt in den Buchhandel einzusteigen. Wir wußten, daß es eine Käuferschicht gibt, deren Nachfrage nach jüdischer Literatur noch nicht gedeckt wird. Also eröffnete ich (damals noch in der Lessinggasse) das erste jüdische Buchgeschäft nach 1938. Die Waldheimaffäre, die zu der Zeit in den Medien präsent war, hatte auch das Interesse von Österreichern, die nicht jüdischen Glaubens waren, an jüdischer Literatur gebracht.Wie verarbeiten Sie Niederlagen? Ich glaube, ich bin ein Mensch, der durch Niederlagen lernt und stärker wird. Beim Aufbau des Geschäftes bin ich stur meinen Weg gegangen, und meine Frau hat mir immer sehr dabei geholfen. Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst? Eines der Hauptprobleme des Buchhandels sind die großen Buchhandelsketten. Wie sehen Sie Ihre Position in Ihrer Branche? Wir genießen als Fachbuchhandlung eine Sonderstellung. Wir waren die erste Buchhandlung, die ausschließlich Literatur dem Judentum anbietet. Natürlich können wir auch jedes andere lieferbare Buch auf Bestellung besorgen. Wie leben Sie mit dem Mitbewerbern? Wettbewerb findet über das Sortiment und das Service (fachkundige Beratung, geduldige und freundliche Bedienung) statt. Noch gibt es den gebundenen Ladenpreis, das Buch ist noch Kulturgut. Gibt es diese Bestimmungen nicht mehr und die Großen suchen sich nur noch die leicht verkäuflichen Rosinen aus dem Kuchen, wird in letzter Konsequenz wertvolles Kulturgut verloren gehen. Viele Verlage würden das Risiko, junge Autoren zu fördern, nicht mehr eingehen, eine kulturelle Verarmung fände statt.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Ich habe zwei Mitarbeiterinnen und würde das Klima als sehr freundschaftlich einstufen. Mir liegt viel an äußerem Input zur Entscheidungsfindung, nur das letzte Wort haben meine Frau und ich.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Wir arbeiten wie ein Team und ich trage die Verantwortung. Sie sind schon recht lange bei mir und sind motiviert. Ich motiviere sie durch Lob und nicht durch Strenge. Wie gehen Sie mit Druck um? Da ich als Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Wien auch mit politischem Druck konfrontiert bin, müssen wir eine Unterscheidung zu privatem Druck treffen. In der Politik geht es darum, nicht zu emotionell zu reagieren, sondern die möglichen Streitpunkte auf eine rationale Ebene zu bringen und gegebenenfalls Kompromisse einzugehen. Privat gestehe ich mir durchaus mehr Emotionalität zu, den Kampf gegen den Antisemitismus führe ich mit ganzer Kraft. Das heißt, publizistisch in der sozialdemokratischen Zeitschrift innerhalb der Kultusgemeinde mit Namen Der Bund. Man muß aber sagen, daß ich in nichtjüdischer Arbeitsumgebung mehrheitlich gute Erfahrungen gemacht habe. Besonders über die Buchhandlung bekomme ich viel ermutigendes Feedback der Kunden, die nichtjüdischen Glaubens sind. Ich würde sagen, der Anteil dieser Klientel liegt bei etwa 60% der Kunden. Woraus schöpfen Sie Kraft? Ich denke positiv und bin bereit, meine Ziele auch gegen Widerstand von außen durchzusetzen. Beharrungsvermögen ist wichtig, es ist im Grunde wie in der Fabel, in der zwei Frösche in einem Topf Milch gefangen sind. Der eine gerät in Panik und ertrinkt, der andere paddelt so lange durch die Milch, bis sie zu Butter geworden ist, und er entkommen kann. In meiner Freizeit lese ich sehr gerne und gehe wandern. Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Ich weiß nicht, ob ich der Richtige bin, generell einen Ratschlag zum Erfolg zu geben, denn da spielen zu viele individuelle Faktoren eine Rolle. Wie man zurechtkommt, hängt nur von einem selbst ab. Weiters betreiben wir ja eine Fachbuchhandlung und konzentrieren uns auf ein ganz klar definiertes Käuferklientel. Sollte die Buchpreisbindung fallen, werden wohl viele kleinere Buchhandlungen, die ein allgemeines Sortiment haben, zusperren müssen. Das heißt, man hat nur mehr gute Erfolgsaussichten, wenn man tatsächlich noch eine Marktnische findet. Und nur so haben zum Beispiel junge Lyriker auch eine Chance auf Veröffentlichung, denn bei gewinnorientierten Großunternehmen spielt die Kosten-Nutzen Rechnung, möglicherweise eine zu große Rolle. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt? Mein Ziel ist es, daß mein Sohn ein anständiger Mensch und beruflich wie privat erfolgreich wird. Ich hoffe natürlich, daß wir gemeinsam in der Familie alt werden. Ich habe ein permanent schlechtes Gewissen, daß meine Tätigkeit als Kultusvorsteher und Sicherheitsberater der jüdischen Gemeinde zuviel Zeit mit der Familie stiehlt. Ein glückliches Familienleben zu führen, ist nämlich mein größtes Ziel. Leider ist es so, daß der Beamtenapparat meine Zielsetzungen bremst, es gab aus verschiedener Richtungen Erschwerungen in verschiedenen Richtung. An diesem Ort ist es unpassend, nach den Gründen zu forschen; am Willen der gesamtösterreichischen Politik scheitert es aber meiner Meinung nach nicht.
Ihr Lebensmotto?
Man sollte versuchen, anständig zu bleiben, es ist schon schwer genug, nach den zehn Geboten zu leben; wenn man das schafft, ist schon viel gewonnen. Ich bin stolz darauf, meinen Lebensunterhalt mit den eigenen Händen zu erarbeiten - ich bin in der Tradition des denkenden Arbeitens erzogen worden. Nur einen denkenden Arbeiter habe ich leider zu selten angetroffen. Während meiner Tätigkeit als Elektromechaniker bin ich leider auf viele recht primitive Arbeitskollegen gestoßen. Die Art des Klassenkampfes hat sich geändert, es ist nicht nur, daß sich viele kleinere Unternehmen durch den Konkurrenzdruck der großen Handelsketten gezwungen sehen, sich und ihre Mitarbeiter auszubeuten. Die Arbeiter werden auch bewußt uninformiert gehalten und merken das schon gar nicht mehr. Ich maße mir nicht an, als großer Aufklärer zu wirken, aber die Informationsvermittlung an die breite Masse ist mir ein wichtiges Anliegen. Ich habe meine politische Tätigkeit in letzter Zeit aber eher in die jüdische Gemeinde verlegt.