Zum Erfolg von Norah Avedikian
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg bedeutet für mich die Gewissheit, einfach das Richtige zu tun, jeden Tag aus dem Geschäft hinauszugehen und sagen zu können, ich habe das Richtige getan. Erfolg bedeutet aber auch, von meiner Arbeit leben zu können.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Jein, da der wirtschaftliche Kampf nicht immer leicht fällt.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Mein Durchhaltevermögen war entscheidend. Ich gebe nicht so leicht auf, habe mich für den Weg der beruflichen Selbständigkeit entschieden und ziehe das auch durch. Ich führe mein Geschäft mittlerweile schon seit neunzehn Jahren, da es immer mein Wunsch war, eigenständig zu arbeiten und keinem Vorgesetzten Rechenschaft abzulegen. Da man in meinem Beruf nicht freiberuflich tätig sein kann, musste ich mich selbständig machen.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Ich gehe jeden Tag positiv an und motiviere mich jeden Tag aufs Neue. Ich nehme auch den beruflichen Frust, der sich bisweilen einstellt, nicht mit nach Hause, sondern versuche, Beruf und Privatleben zu trennen, soweit das möglich ist. Bei der aktuellen schlechten Wirtschaftslage ist jeder Tag eine Herausforderung. Ich habe täglich meine Fixkosten, auch wenn nichts gekauft wird, und obwohl ich fast nur Stammkunden habe, ist es oft schwierig.
Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein?
Es ist nicht schwieriger, es wird uns Frauen schwer gemacht. Als Frau muss ich wesentlich mehr leisten als ein Mann, die Voraussetzungen sind für uns Frauen immer ungünstiger, da wir oft einfach nicht ernst genommen werden. Ich bin nicht nur einmal in meinem Geschäft gefragt worden, wo denn der Chef ist.
Ab wann empfanden Sie sich als erfolgreich?
Seit ich mich selbständig gemacht habe.
Ist Originalität oder Imitation besser, um erfolgreich zu sein?
Ich halte Originalität für den besseren Weg, denn eine Kopie wird irgendwann als solche enttarnt. Es hängt auch von mir selbst ab, die Dinge am Laufen zu halten. Nicht, weil ich mich auf mein Personal nicht verlassen könnte, sondern weil ich das Geschäft an meine Person gebunden habe. Ich vertrete den Standpunkt, dass ich das Geschäft bin - und umgekehrt -, und somit soll der Kunde auch mein Geschäft durch mich identifizieren, weil auch ich mich damit identifiziere. Das ist andererseits natürlich auch ein Problem, weil es meine Urlaubsvertretung dadurch sehr schwer hat.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Leider ist es so, dass die Kunden alles kostenlos haben möchten. Tatsache ist, dass Qualität ihren Preis hat. Somit bedarf es einer hohen Fachkompetenz um den Kunden dementsprechend beraten zu können und eine Lösung für sein Problem anzubieten.
Wie werden Sie von Ihrem Umfeld gesehen?
Nach außen hin wirke ich als harte Geschäftsfrau, doch ich bin ein sozialer und hilfsbereiter Mensch. Ich besuche im Sonderkrankenhaus alte und pflegebedürftige Menschen, die nicht mehr in ein Geschäft gehen können und führe z.B. Reparaturen an ihren Brillen durch. Das mache ich nicht des Geschäftes wegen, sondern ich sehe dies als meinen sozialen Dienst an der Gesellschaft.
Wie verhalten Sie sich dem Mitbewerb gegenüber?
Der am lautesten schreit, wird auch gehört. Meines Erachtens ist es nicht richtig, dass einige Firmen ganze Branchen demontieren, und dann erst, wenn eine Branche brachliegt, gibt es den Aufschrei der Bevölkerung: es gibt keinen Greißler mehr, kein Papierfachgeschäft, keine Parfümerie, und der Elektro- und Fotofachhandel ist auch so gut wie kaputt. Irgendwann werden amerikanische Verhältnisse herrschen, wo es nur noch mit dem Auto erreichbare Shoppingmalls geben wird, und davor graut mir. Für mich ist dieser Zustand nicht erstrebenswert, doch ich allein kann es nicht ändern.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Bei mir bekommt jeder die Brille, die er sich aussucht und ihm am besten steht, nicht das teuerste oder das älteste Stück im Laden. Ich versuche, meine Kunden ehrlich und objektiv zu beraten und dies zeigt sich im hohen Stammkundenanteil von mehr als 90 Prozent.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Jetzt kann ich diese Bereiche trennen. In der sogenannten "Gründerphase" gibt es so gut wie kein Privatleben, denn die ganze Kraft verwendet man um das Unternehmen am Markt zu platzieren. Irgendwann kommt dann der Punkt, wo man bemerkt, dass das Geschäft wichtig ist, aber ein Privatleben sollte vorhanden sein. Ein Rezept für Beruf und Privatleben gibt es nicht. Jeder Betroffene muss dafür seine eigene Lösung finden.
Wieviel Zeit verwenden Sie für Ihre Fortbildung?
Wenn es sich mit meinen Geschäftszeiten vereinbaren lässt, besuche ich Fortbildungen. Leider werden diese meist für solche Chefs gemacht, die ihr Geschäft jederzeit verlassen können. Ich halte mich strikt an meine Öffnungszeiten, außer an den Fenstertagen, da habe ich geschlossen. Ich brauche diese Zeit, um aufzutanken, wovon meine Kunden letztlich wieder profitieren.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Ich rate dazu, sich die berufliche Selbständigkeit gut zu überlegen und sich wirklich im Klaren zu sein, dass man sich nicht selbständig macht, um reich zu werden, sondern um sich zu verwirklichen. Es bedarf vieler Entbehrungen, hat keinen geregelten Urlaub, keine 14 Gehälter und keine finanzielle Sicherheit mehr, und die geschäftlichen Belastungen liegen nun auf den eigenen Schultern. Die Zeiten sind nicht mehr so wie früher, wo man eben ein paar Jahre die Zähne zusammengebissen hat und dann hat Frau es geschafft. In der heutigen Zeit würde ich mich wahrscheinlich nicht mehr selbständig machen. Unabhängig davon, welchen Beruf man erlernen möchte, sollte man sich immer die Frage stellen, was einem daran fasziniert. Wenn man an einem Beruf nichts Positives abgewinnen kann, sollte man sich ehestens um einen anderen Beruf umsehen. Für mich war der soziale Part bei dieser Tätigkeit der springende Punkt, d.h. den Mitmenschen zu helfen, um ihr körperliches Problem zu lösen. Der Jugend würde ich empfehlen sich auf die klassischen Werte zu besinnen, wie gute Umgangsformen und gepflegte Kleidung. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, die derzeit beim Großteil katastrophal ausfällt.
Ihr Lebensmotto?
Optimismus.