Zum Erfolg von Georg Stingl
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Dabei will ich vor allem über das Berufliche sprechen und meine Funktionen als Wissenschaftler, Arzt und Hochschullehrer beleuchten. Erfolg in diesen meinen Hauptaufgabenbereichen bedeutet, eine Veränderung zum Besseren gemacht bzw. möglich gemacht zu haben, sei es durch den Erhalt oder Ausbau funktionstüchtiger Systeme und Abläufe oder, wahrscheinlich noch wichtiger, durch Ausmerzen von Unzulänglichkeiten und Fehlern.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Entscheidend für meine forscherische Karriere waren sicherlich Studienaufenthalte in den U.S.A, die mich die direkte Beziehung zwischen Leistung und Einsatz einerseits und Erfolg andererseits gelehrt haben. Für gute Forschung muß man bereit sein schwer zu arbeiten und über ein breites geistig-kritisches Umfeld verfügen, von dem man lernt wissenschaftlich zu denken und Wissensinhalte vermittelt bekommt. Als Arzt standen Erfolge und Niederlagen immer eng beisammen - die Freude, mir anvertraute Patienten von ihren Beschwerden zu befreien, und die Betrübnis, den unheilvollen Verlauf bestimmter Krankheiten nicht wenden zu können. Meine Tätigkeit als Hochschullehrer liegt mir besonders am Herzen, vor allem wenn sich die Möglichkeit zu guter kommunikativer Interaktion mit kleinen Gruppen von Studenten ergibt und, noch mehr, wenn es gilt, Diplomanden und Dissertanden in die Welt der Wissenschaft einzuführen. Einem selbst und den Menschen der Umgebung die Möglichkeit zu geben, ihre Talente zu voller Entfaltung zu bringen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Nur so kann Außergewöhnliches entstehen, sofern es zumindest in Ansätzen vorhanden ist. Enorm wichtig ist eine offene Haltung gegenüber Beobachtungen, ihnen also ohne Dogma zu begegnen und stets das Ganze im Auge zu behalten.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
In meinem Forscherleben gab es sowohl Erfolge als auch Niederlagen. Aus guten, originellen Ideen wurden oft recht respektable Arbeiten, die Resultate versäumter Ideen haben andere publiziert. Glück war mir bei der Auswahl und Ausbildung vieler meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschieden, von denen manche in national und international führenden Positionen der Dermatologie und Immunologie tätig sind.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Viele Menschen haben mich geprägt und geformt. Ein humanistisch gebildeter, den Beruf eines praktischen Arztes ausübender Vater, eine warmherzige musische Mutter, hervorragende Lehrer im Gymnasium, an der Hochschule und an jenen Institutionen, an denen ich zum Arzt und Wissenschaftler ausgebildet wurde.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Von der Fachwelt, von meinen Patienten und Studenten, bei besonders guten Leistungen sogar von Menschen meiner unmittelbaren Umgebung.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Die mittleren Schulen haben die Aufgabe, über die Studienrichtungen besser zu informieren beziehungsweise den Schülern eine aktiv zugehende Haltung zu vermitteln; vor allem Frauen müssen in den naturwissenschaftlichen Bereich mehr hineingeführt werden. Im Studium selbst wird auf lange Sicht ein europäisches Curriculum unvermeidbar sein; gute Ansätze wie über das Erasmusprogramm sind bereits vorhanden. Derzeit ist die Hochschullandschaft verkrustet, der Österreicher muß weltoffener werden. Ich lehre wirklich gerne und sehe meine Aufgabe als Hochschullehrer darin, Menschen zu wissenschaftlichem Denken zu erziehen; darum empfinde ich es als Verschwendung meiner Zeit, publizierte Inhalte vorzutragen. Ein Umdenken an den Hochschulen halte ich für notwendig, da ein umfassendes Wissen zu vermitteln in der Informationsgesellschaft nicht mehr zeitgemäß ist. Beides, das Lehrgebot und das Forschungsgebot, sind wünschenswert, doch die Zeit ist dafür nicht vorhanden. Eine Entscheidung was höher gewichtet wird, steht an den Hochschulen an.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Durch Vorbildwirkung, durch wohlüberlegtes, jedoch entschlossenes, geradliniges, hoffentlich kompetentes Handeln. Wichtig ist auch, daß die Mitarbeiter merken, daß man für sie jederzeit da ist.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Man muß die Karriereplanung differenzieren. Eine Karriere als Arzt sollte anders verlaufen als bei einem Wissenschaftler. Will man reiner Wissenschaftler werden, erscheinen mir zwei Postdoc-Perioden ideal. In der ersten Phase ist es wichtig, sich eher nur mit einem Forschungsthema zu beschäftigen, weil man selbst noch nicht soviel mitbringt und damit die eigenständige Denkweise gefördert wird. In der zweiten Phase soll das Gelernte eingebracht werden und ein gegenseitiges Nehmen und Geben entstehen. Bei den medizinischen Wissenschaften ist es aus meiner Erfahrung günstig, zuerst eine gute ärztliche Ausbildung zu machen. Anfangs lernt man die Routine, wenn man fleißig ist, kann man sich daneben mit Forschungsprojekten befassen und dann erst ins Ausland gehen. Beim umgekehrten Weg, insbesondere wenn man in der Forschung bereits erfolgreich war und danach die klinische Ausbildung durchführt, stellt sich durch die Routinearbeit oft ein hoher Frust ein, und die Forschung wird oft aufgegeben; das ist schade.