Zum Erfolg von Helmut Nissel
Was ist für Sie persönlich Erfolg? Unter Erfolg verstehe ich das Erreichen von Zielen, die den persönlichen Idealen und Wertvorstellungen entsprechen. Das heißt auch die Möglichkeit einer positiven Beeinflussung des eigenen Weltbildes. Was ist das Rezept für Ihren Erfolg? Es ist sehr schwierig, von sich selbst zu sagen, welche Talente man hat und welche nicht. Ich glaube, daß ich einerseits extrem belastbar bin, andererseits ein wirklich gutes Einfühlungsvermögen habe. Ich durchschaue oft eine Situation viel schneller als alle anderen rundherum. Auch Zusammenhänge durchschaue ich sehr schnell, und ich habe eine gewisse Sensibilität, die mich in vielfältiger Weise unterstützt. Das beginnt bei der Akupunktur und geht weiter bis zum Kontakt mit den Patienten, wenn man einfach schon Dinge spürt, die man noch gar nicht weiß. Da spielt sicher auch meine Musikalität eine Rolle. Ich leite einen großen Chor, mit dem ich in letzter Zeit große Erfolge feiern konnte. Auch da wird mir immer wieder mitgeteilt, wie sehr es mir gelingt, andere Menschen mitzureißen und ihnen etwas zu übertragen. Das betrifft nicht nur die Leute des Chores sondern auch die Musiker und Orchestermitglieder.Sehen Sie sich selbst als erfolgreich und warum? Wenn man den Erfolg nur an Äußerlichkeiten abliest, ist das für mich nicht das, was ich unter Erfolg verstehe. Natürlich wird jeder Außenstehende sagen, wenn jemand einen klingenden Namen hat, wäre das schon Erfolg. Nach außen hin sicher. Persönlicher Erfolg ist es aber nur dann, wenn man auf seinem Weg auch seine persönlichen Ziele verwirklichen kann. Was ich immer wollte, ist zu helfen und anderen zu zeigen, wie man es macht und sie dorthin zu bringen. Diese Möglichkeit hat man aber erst dann, wenn man in leitender Position ist. Das heißt, ich kann erst jetzt in meiner Abteilung diesen humanistischen Gesichtspunkt einbringen. Ich habe einen Lehrauftrag an der Universität, und da ist es mir extrem wichtig, den jungen Studenten zu zeigen, daß Medizin auch etwas anderes sein kann, daß es hier nicht nur um Geräte geht, sondern daß hinter allem ein Mensch steht, ein Mensch, der vielfältigen Dingen ausgesetzt ist. Genau das macht für mich den Erfolg aus, daß man die Möglichkeit hat, andere auf diesen Weg hinzuführen.Wie ist das Feedback zu Ihrer Person? Eine wesentliche Reaktion ist die der Patienten. Aus dieser Woche gibt es zwei aktuelle Beispiele: Ich mußte mit zwei Patienten wegen ihrer bösartigen Erkrankung sprechen. So schwer diese Gespräche sind, so schön ist es, wenn der Patient sagt: Es ist furchtbar, was sie mir gesagt haben, aber allein, wie sie mich führen, gibt mir viel Kraft und Hoffnung. Ich kann auch in einer schlimmen Situation jemandem zeigen, daß der Weg so richtig ist.Spielt die Familie beim Erfolg eine Rolle? Welche? An diesem Problem zerbrechen viele Leute. Man muß sich im klaren sein, was man will, und man braucht einen Partner, der mit den Zielen einverstanden ist. Natürlich ist ein erfolgreicher Weg nicht ohne Entbehrungen möglich, und es war schon vor Jahren so, daß ein Arbeitstag vor 6 Uhr begonnen hat und spät abends aufgehört hat. Es ist auch heute noch so, daß ich oft ein Wochenende durcharbeite, mein nächstes freies Wochenende habe ich erst wieder in zwei Monaten. Das sind Dinge, die ein Partner und auch die Familie erst akzeptieren und unterstützen müssen. Wenn man dort Widerstand hat und keine Möglichkeit hat, sich dorthin zurückzuziehen, um sich wohlzufühlen, hat man keine Chance.Nach welchen Kriterien stellen Sie Mitarbeiter ein? Im Spital ist es so, daß das Team immer weiter wächst und daß sich im Team nur der hält, der in das Konzept paßt. Wir hatten schon Leute, die uns wieder verließen, weil sie merkten, daß sie nicht in dieses Team passen. Es ist eine Teamkultur notwendig, und ich habe hervorragende Mitarbeiter, auf die ich mich zu einhundert Prozent verlassen kann. Ohne meine Mitarbeiter wäre mein Erfolg nicht möglich. Im Spital ist es etwas anders, hier gibt es eine bestehende Hierarchie und Dienstvorschriften, die man nicht umgehen kann.Einige Worte zu der Gesellschaft, der Sie vorstehen? Ich bin Präsident der österreichischen Gesellschaft für Akupunktur. Das ist die älteste Gesellschaft Österreichs, sie ist im Jahre 1954 gegründet worden. Wir haben international einen ausgezeichneten Ruf. Durch die Verbindung mit dem Ludwig-Boltzmann-Institut betreiben wir in dieser Gesellschaft viel Forschung.Welche Rolle spielt Anerkennung für Sie? Als ich als Abteilungsvorstand begann, wollte ich ein Chef sein, der von seinen Mitarbeitern geliebt wird und auf den sie stolz sein können. Sehr bald habe ich gemerkt, daß das so nicht geht. Je höher man oben ist, desto mehr muß man Entscheidungen treffen, und entscheiden heißt entweder-oder. Also wird immer einer der Böse sein. Ich habe auch erkannt, daß es besser ist, eine Entscheidung zu treffen als keine, und ich habe mich auch damit abgefunden, daß es nicht mehr darauf ankommt, von den Leuten ein Schulterklopfen zu bekommen. Das alles sind Sachen, die man mit sich selbst vereinbaren muß. Spielen Niederlagen in Ihrer Karriere eine Rolle, und was verstehen Sie unter einer Niederlage? Es kommt immer darauf an, wo diese Niederlage stattfindet. In der Medizin ist es auch eine Niederlage, wenn eine Krankheit nicht besiegt werden kann und wenn man tatenlos zusehen muß. Entscheidend ist, ob ich mir diese Niederlage zuzuschreiben habe oder nicht.
Woher schöpfen Sie Ihre Kraft?
Das sind die Familie, die Musik und der Sport.Persönliche Zielsetzung, was wollen Sie gerne erreichen? Man hört nie auf, seine Ziele verwirklichen zu wollen. Jeder Tag beginnt mit neuen Aufgaben und Herausforderungen, mir wird sicher nicht fad.Welchen Ratschlag für den Erfolg würden Sie gerne an die nächste Generation weitergeben? Ich glaube, der Beruf des Arztes ist faszinierend, ich bin aber genauso gerne Manager. Ich würde aber nicht alleine Manager sein wollen. Ich kann es jedem nachfühlen, der gerne Arzt sein möchte. Es muß sich aber jeder bewußt sein, daß es heute viel schwieriger geworden ist. Zu meiner Studienzeit waren wir 600, jetzt sind es 6000, und die Berufsaussichten sind denkbar schlecht. Nur der, der sagt, ich muß Arzt werden, der soll studieren. Er muß sich aber im klaren sein, daß er viele Entbehrungen auf sich nehmen und auf vieles verzichten muß.