Zum Erfolg von Wilfried Seipel
Was verstehen Sie unter Erfolg? Das Gefühl zu haben, daß man seine Möglichkeiten bestmöglichst umgesetzt hat. Dabei spielt die öffentliche Meinung auch eine wesentliche Rolle - als Wechselwirkung zwischen Leistung und Erfolg. Ohne Rückkoppelung kann man nur schwer erfolgreich sein. Für das eigene Ich ist es notwendig, daß Beruf, eigene Interessen und Vorstellungen ident sind.
Sehen Sie sich selber als erfolgreich? Ja, ich konnte die mir anvertrauten Institutionen jeweils positiv positionieren. So ist das Kunsthistorische Museum Wien nicht mehr die verstaubte Institution, als die sie lange Zeit galt, sondern spielt international eine ebenso anerkannte Rolle wie ein Louvre. Auch das neue Bundesmuseumsgesetz (Eigenständigkeit und Ausgliederung der Museen), an dem ich wesentlich beteiligt war, empfinde ich als Erfolg.
Wie sieht Sie Ihr Umfeld - als erfolgreich?
Meine Familie sieht mich mit der Einschränkung, daß ich zu wenig für sie und zu viel für's Museum da bin, als erfolgreich an. Im Haus zollt man mir Respekt und Anerkennung, und die Änderungen werden großteils mitgetragen. International stehe ich gut da. Österreichweit gibt es aber viele Neider. Das ist vor allem auf meine offene Leihgabenpolitik zurückzuführen. Ich gelte als zu dynamisch, zu wenig sachbezogen und gebe zu viele Leihgaben, womit ich bei manchem Kunsthistoriker auf Widerstand stoße.
Wobei haben Sie erfolgreich entschieden?
Ich mußte nie lange überlegen. Wurde mir etwas angeboten, griff ich zu und machte es gerne. Da ich davon ausgehe, daß man alles verbessern kann, war mir jede Herausforderung recht.
Haben Sie diese Tätigkeit angestrebt?
Ägyptologie faszinierte mich schon mit 15. Der Zuspruch und die Hilfestellung meines Professors in Heidelberg waren für mich sehr wesentlich. Die Entscheidung von der Universität weg in ein Museum zu gehen bedeutete einen völligen Neubeginn und kaum einer verstand diese Entscheidung. Museumsdirektor kann man nicht lernen, früher gab es diesen Posten nichteinmal, so konnte ich diese Karriere auch nicht planen.
Was ist für Ihren Erfolg ausschlaggebend?
Ganz wesentlich waren meine 20 Jahre Auslandserfahrung in der BRD. Ebenso wie meine internationalen Beziehungen (großes Augenmerk lege ich auf den arabischen Raum und habe auch sehr gute Kontakte zu Ländern wie Jemen, Iran, Irak oder Libanon). Ich bringe 100 %igen persönlichen Einsatz, arbeite nächtelang durch und verzichte auf Annehmlichkeiten. Für viele Ausstellungen machte ich wirklich alles - vom Katalog über Vitrinengestaltung bis hin zum Plakatekleben - selber. Das verstehe ich unter totalem Einsatz, der sich früher oder später auch bezahlt macht. Was mir wichtig erschien konnte ich auch geradlinig aber mit diplomatischem Geschick im Umgang mit den maßgeblichen Politikern und Administratoren durchsetzen. Die Novität IMAX-Kino (jetzt beim Technischen Museum Wien) konnte ich z.B. mit Riesenerfolg in Linz etablieren. Dabei ist es wesentlich nicht nur überzeugen zu können, sondern auch anderen ihren Eigenruhm zu lassen. Nicht ich sondern wir haben etwas bewegt. Erfolg sehe ich nicht auf die Einzelperson, sondern auf die Institution bezogen. Erfolgreich bin ich nur dann, wenn auch die Institution Erfolg hat.
Was ist für den Erfolg hinderlich? Sich nicht gut verkaufen zu können, kein Feeling im Umgang mit Menschen, Ungeduld und übertriebener Egoismus ist dem Erfolg sicher im Weg.
Welche Rolle spielt die Familie? Ein privater Ruhepol ist wesentlich. Erfolg kann nicht das Ergebnis einer Flucht aus einer Zweierbeziehung sein.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter? Auf die Mitwirkung der Kollegen muß man sich verlassen können. Frau Mader, die hier die Öffentlichkeitsarbeit macht hat z.B. einen wesentlichen Anteil am Erfolg des Hauses. Ein guter Assistent ist ebenso wichtig wie das passende politische Umfeld, da wir ja auf die Hilfe des Bundes angewiesen sind.
Nach welchen Kriterien stellen Sie Mitarbeiter ein? Fachwissen und Vorkenntnisse sind Voraussetzung, wichtiger ist mir aber persönlicher Eindruck und Feeling.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Ich gehe immer davon aus, daß jeder so motiviert ist, wie ich selber. Daß ich deshalb zu wenig Streicheleinheiten gebe, mag ein Manko sein.
Was bedeuten für Sie Niederlagen? Heute spielen Niederlagen für mich kaum mehr eine Rolle, da ich selten schlechte Kritiken bekomme. Eine Niederlage bahnt sich eventuell beim Votruba Verein an, der wahrscheinlich nicht im Museumsquartier untergebracht werden kann. Etwas zu konsensorientiert (wie ich allgemein kompromißbereit bin) war ich vielleicht auch bei der Elektrifizierung des Hauses (kurioserweise ist ein Teil des Kunsthistorischen Museums bis heute noch nicht elektrifiziert!)
Woraus schöpfen Sie Ihre Kraft?
Ich denke, daß jeder dort hingestellt wurde, wo er seine Verantwortung übernehmen muß. Meine Energie schöpfe ich also aus der Überzeugung, daß ich an meinem Platz das Beste geben muß. Als gläubiger Mensch schöpfe ich auch aus dem Glauben Kraft. Bedingt durch den ständigen Streß (Ausstellungen, Budgetverhandlungen, etc.) fühle ich mich mit meinen 55 Jahren heute auch schon ziemlich verschlissen.
Wie sehen Ihre Ziele aus? Hier gibt es noch viel zu tun. Zum Haus gehört auch die Wagenburg Schönbrunn und die Neue Burg. Bis zu meiner Pensionierung möchte ich das Museum so ausstatten, daß es zukunftstauglich ist, und Strukturen schaffen, mit denen es weitergeht. Auch einige Bücher möchte ich noch schreiben.
Bekommen sie - ausreichend - Anerkennung? Ja, ich fühle mich voll anerkannt. Am 08. Januar 2000 wird mir der Professorentitel verliehen, ich habe bisher acht Orden und werde in den Medien akzeptiert. Ein Museumsdirektor muß auch etwas eitel sein, sonst bringt er sich zu wenig ein und hat zu wenig Drive. Jede Institution braucht auch eine Repräsentationsfigur, die sich einmal auf die Bühne stellt - nur übertreiben darf man nicht, sonst wird's kontraproduktiv.
Haben Sie Vorbilder?
Mein Urgroßonkel Ignaz Seipel nahm sein Leben sehr ernst und konzentriert. Ich selber nehme das Leben weniger ernst, deshalb bin ich auch weniger verletzlich. Mit einem Polster von Anerkennung und Erfolgen ausgestattet hält man auch einiges aus.
Haben Sie eine
Anmerkung zum Erfolg?
Ich war 25 Jahre im Ausland tätig, war zweimal Beamter und gab diese Sicherheit zweimal auf. Das heißt, man muß auch Risikobereitschaft mitbringen um erfolgreich zu sein.