Zum Erfolg von Alexandra Bösch-Kemter
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Ich habe dann Erfolg, wenn ich das Gefühl verspüre, etwas gut gemacht zu haben und somit zufrieden bin. Im Moment bin ich mit mir sehr zufrieden, da ich meine Position trotz einer gewissen Ambivalenz, die ich zu Beginn noch wahrnahm, über meine Tätigkeiten festigen konnte. Meine Zweifel überwand ich durch regelmäßige Supervision und dadurch, daß ich ständig Entscheidungsberatungen im Hause durchführe. In dieser Form lernte ich kleine Erfolge als Erfolg zu betrachten - dies ist eine wesentliche Erkenntnis, um erfolgreich zu sein.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ja. Wenn man, wie ich, mit 35 Jahren einen neuen Beruf erlernt, also eine neue Karriere beginnt, und den Mut hat, diesen Beruf konsequent auszuüben, dann ist man erfolgreich. Außerdem sehe ich die partnerschaftliche Teilung der Ambulatoriumsleitung mit meiner Kollegin als erfolgreich an, da wir unsere Aufgabengebiete klar getrennt haben und uns zum Wohle unserer Klientinnen gemeinsam beraten, um zu einer einheitlichen Entscheidung zu gelangen. Ich fühle mich wohl, wenn ich mich und meine Mitarbeiterinnen nicht überfordere. Im privaten Bereich fühle ich mich wohl, wenn ich im Grünen mit meiner Familie entspannen kann.Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Ich war immer bemüht, mein Bestes zu geben und tat es auch.
In welcher Situation haben Sie erfolgreich entschieden?
Ich versuche mich vorab so gut wie möglich zu informieren und entscheide dann nach Gefühl. Für mich ist es sehr wichtig, Entscheidungen gründlich zu hinterfragen, da jede Entscheidung eine Auswirkung auf das ganze System darstellt.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Anerkennung ist für mich ein sehr wichtiges Thema, da das Feedback des Teams und die Anerkennung durch meinen Gatten ein sehr interessantes Zusammenspiel der eigenen Taten und der Sicht von mir wichtigen Menschen darstellt.
Wie werden Sie von Ihrem Umfeld gesehen?
Jedes Umfeld besteht aus Einzelpersonen und jede Einzelperson bildet sich ein inneres Urteil, daher möchte ich nicht für andere Personen sprechen.Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus? Für mich ist der Erstkontakt das wesentlichste. Außerdem habe ich einen Bewerbungsbogen entwickelt, in den ein Fragebogen inkludiert ist. Diese Fragen beziehen sich natürlich auf die Einstellung der Frauen zu verschiedenen Bereichen der Sexualität und insbesondere zum Schwangerschaftsabbruch. Für uns ist das Alter kein Kriterium, bei uns zählen Engagement und Teamfähigkeit. Desweiteren ist es wichtig, mit Menschen umgehen zu können. Auch die Fähigkeit, sich präsentieren zu können, ist sicher ein ausschlaggebender Faktor. Bei uns zu arbeiten, bedeutet sehr intensive Auseinandersetzung mit sich selbst, dazu benötigen die Frauen Ehrlichkeit und Mut. Wir halten alle 14 Tage ein Meeting ab, in dem wir versuchen, positives Feedback zu geben. Natürlich werden Probleme besprochen, wodurch wir alle dazulernen. Jede unserer Mitarbeiterinnen bekommt monatlich zwei Supervisionsstunden finanziert, das ist ein wesentlicher Punkt in unserer Unternehmensführung. In der Zwischenzeit ist es gelungen, unsere Klientinnen auf die ständige Anwesenheit der Abtreibungsgegner telefonisch so vorzubereiten, daß sie es ohne zu verzagen wagen, durch die Reihen der direkten Ansprachen mutig hindurchzugehen.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Ich bin seit Februar 2000 stolze Großmutter und teile mir meine Zeit genau ein. Mein Mann und ich schätzen die Qualität der Zeit, die wir mit unseren Kindern verbringen.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Für mich steht eindeutig das Wohlbefinden der Frauen, die uns aufsuchen, im Vordergrund. Vor allem die kleinen Dinge, wie das Begleiten der Frauen zur Ordination und der Beistand der Beraterin, bis die Narkose wirkt, oder bei einer Lokal-Anästhesie, bis der Eingriff vorbei ist. Wir haben versucht, im ganzen Haus eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Die Farbe Blau ist in unseren Räumen vorherrschend und soll Wohnzimmer-Atmosphäre vermitteln. Für mich selbst geht es um kleine Schritte. Ich habe immer sehr viel gearbeitet und komme jetzt mit einer 40-Stunden-Woche aus. Diese Arbeitsintension aufrechtzuerhalten ist auch als mein weiteres Ziel zu betrachten.
Ihr Lebensmotto?
Mut zur Lücke. Daß ich nicht alles sofort weiß, war eines der schwierigsten Lernprozesse, da ich sehr perfektionistisch veranlagt bin.