Zur Karriere von Ulrich Norbert Schulenburg
Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Meine Abstammung aus einer großbürgerlichen Beamtenfamilie und der Wunsch, schnell zu finanzieller Unabhängigkeit zu kommen, waren treibende Kraft und Grundlage meines Ausbruchsversuches aus diesem Umfeld. Nach Mittelschule und Bundesheer absolvierte ich den Lehrgang für Werbung und Verkauf und war 1963 bei der IAEO beschäftigt. Da mir diese Tätigkeit zu langweilig war, wechselte ich zu Olivetti, wo ich nach einem Schulungskurs in einem dreiviertel Jahr zum Verkaufsleiter aufstieg. Dort war einer meiner Vorgesetzten Oswald Wiener und unter meinen Mitarbeitern fanden sich Namen wie Peter Turrini, Uzzi Förster, Paul Stein oder Alexander Pereira, der heutige Direktor des Opernhauses in Zürich. 1967 (ich war damals durch eine Erbschaft auch zu etwas Kapital gekommen) lernte ich über meine Frau Thomas Sessler kennen, der diesen Verlag 1966 übernommen hatte und ließ mich (da ich immer schon an Literatur und Theater interessiert war) überreden, in der Wiener Filiale einzusteigen. Also mußte ich meinen Job bei Olivetti kündigen und mich mit dem Neuaufbau des Verlages beschäftigen. Nun begann ich mich für den Unternehmensaufbau, die Bildung eines neuen Teams, das Etablieren in der Theaterszene und den Aufbau der Filmabteilung zu interessieren. Der Verlag vertrat bereits damals die Weltrechte von so bekannten Autoren wie Ödön von Horvath, Franz Theodor Csokor, Felix Salten, Oskar Kokoschka, Anton Kuh, Alfred Polgar, Egon Friedell, Anton Wildgans, u.v.a. Der von mir initiierte Filmbereich (wir vertreten heute u.a. Fritz Lang, Walter Reisch, Willy Forst, E.W.Emo, Henry Koster und seit 1994 auch die Rechte der Billy Wilder Filme vor 1933) entwickelte sich auf Anhieb prächtig, da die Rechte der alten Filme, die in den 60er und 70er Jahren von der Kirch-Gruppe gekauft wurden, nachgesichert werden mußten. 1973 erfolgte der Zukauf der Schauspielabteilung der Universal-Edition und damit die Rechteübernahme von H.C. Artmann, Peter Turrini, Wilhelm Pevny, Heinz R. Unger, Franz Xaver Kroetz u.a. Als nächstes bauten wir den Cabaret-Bereich auf (Ankauf der Rechte von Karl Farkas, Ernst Waldbrunn, Gerhard Bronner, Helmuth Qualtinger, Grünbaum, Merz, etc.) und konnten mit der Co-Produktion (mit ORF) der berühmten Doppelconferencen Farkas/Waldbrunn einen rekordverdächtigen Erfolg landen. Es werden 230.000 Videokassetten, davon 98 Prozent in Österreich verkauft – damit müßte jeder dreißigste Österreicher so eine Kassette haben. 1976 übernahm der Thomas Sessler Verlag die Vertretung der Werke und die persönliche Betreuung von Pavel Kohout und Vaclav Havel für deutsche Verlage. 1978 bis 1980 konnte ich bei diversen USA-Aufenthalten zahlreiche weitere Rechte von Filmautoren sichern. Nachdem sich mein Seniorpartner Thomas Sessler aus dem Geschäftsleben zurückziehen wollte, übernahm ich 1983/84 seine Anteile gegen Zeitrente und verlegte den Verlagssitz endgültig nach Wien. 1990 kaufte ich den Eirich Bühnen- und Musikverlag, 1992 die Sascha- und Wienfilm (gemeinsam mit Dr. Hubert Schmitt); 1993 übernahmen wir die Vertretung von Boosey & Hawkes (London) und damit die Österreichrechte von Richard Strauss, Leonard Bernstein, Igor Strawinsky, Serge Rachmaninoff und Béla Bartók. 1993 gründete ich mit der VDFS Filmverwertungsgesellschaft (Sicherung der Ansprüche der Filmautoren, Regisseuren, etc. – ähnlich wie die AKM im Musikbereich) einen dritten neuen Bereich. Heute vertreten wir über 1.000 Autoren mit rund 6000 Werken. Mein Bemühen ist es nicht nur, durch Freundschaften mit diversen Schriftstellern Autorenrechte in Österreich an ein österreichisches Verlagshaus zu binden, sondern auch zu entdecken und zu fördern (z.B. Gabriel Barylli, Werner Schwab, Michael Köhlmeier, u.a.) Mein Bemühen ist es, in Abgrenzung zur deutschen Verlagsszene ein unabhängiges österreichisches Verlagshaus für vorwiegend österreichische Dramatiker zu führen und auszubauen, ich konnte zahlreichen Beteiligungswerbungen namhafter ausländischer Verlage widerstehen. An meiner Seite ist die Mitgeschäftsführerin Frau Mag. Eva Feitzinger eine wichtige Stütze des Verlages. Sie hat mit mir zusammen den Bereich neue österreichische Dramatiker der Gegenwart auf- und ausgebaut. (Werner Schwab, Franzobel, Gustav Ernst, Michael Köhlmeier, Monika Helfer, Michaela Ronzoni, Raoul Biltgen, etc.) Will ein Verlag weiter aktiv bestehen, so sind die neuen und vor allem erfolgreichen jungen Autoren, die aufgebaut werden, die Absicherung für die Zukunft.