Zum Erfolg von Wolfgang Weigert
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg ist nicht mehr als das Nebenprodukt einer genauen, sauberen und liebevoll ausgeführten Arbeit in Einklang mit der Natur.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ja, weil es mir immer wieder - selbst unter schwierigsten Problemstellungen und Bedingungen - gelungen ist und gelingt, nachhaltig gute Lösungen dadurch zu finden, daß ich unter anderem zu erleben versuche, wie sich das von mir zu bearbeitende System verhält. Große Entwicklungen und Erfindungen (zum Beispiel wie durch das Ehepaar Curie) werden nur gemacht, wenn der Entdecker daran glaubt, das heißt wenn der Entdecker intuitiv weiß, daß das System etwa so funktionieren wird und der Beweis Schritt für Schritt (wahrscheinlich) nachlieferbar ist.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Kurz vor Studienende sagte ich mir, ich will im Berufsleben so denken und fühlen wie die Natur und wurde ein engagierter Bauingenieur, dem ökologische Aspekte von immens hoher Bedeutung sind. Ich war immer ein Mensch, der alles kritisch hinterfragte. Als einer der ersten Bauingenieure des Landes gestaltete ich verformungsarme Konstruktionen im U-Bahnbaubereich, und erinnere mich an Bauten - gemeinsam mit Herrn Ing. Richard Lugner als Baumeister - vor Jahrzehnten, wo wir durch Pfahlunterpressungen (System Wölzl) im Zuge von Fundamentverstärkungen als Nebenprodukt alte Setzungen reparierten und vorgespannte Trägerkonstruktionen erstellten, um Verformungen zu vermeiden. Ich erlebe und visualisiere die an mich herangetragenen komplexeren Probleme und entwickle deshalb im Rahmen der Vorgaben naturnahe, nachhaltig oft unkonventionelle und neue konstruktive Lösungen. Dies verdanke ich meinem technischen Hausverstand und weniger meiner Berechnungsgabe. Ich griff bei meinen Konstruktionen auch auf sinnvollen Ideen und Erkenntnisse früherer begabter Baumeister zurück oder entwickelte daraus neue Verfahren. Keine Materie war mir zu kompliziert. Ich habe ein außergewöhnlich ausgeprägtes, räumliches Vorstellungsvermögen und spüre nachgerade, was Materialien fühlen und denken. Fruchtbare Kooperationen und Gespräche mit Experten und Professoren aus dem In- und Ausland trugen zum Fortgang von Entwicklungen bei. Man darf sich von Skeptikern nicht aus der Ruhe bringen lassen, wenn man vorzudenken in der Lage ist. Nicht alle entdecken den Wert neuer Erkenntnisse sofort. Ich las viele Bücher, weit über die Vorgaben des Schulbetriebs hinausgehend. Neueste Entwicklungen sind spannend. Berücksichtigt man sie und die Tatsache, daß man nicht das natürliche System sondern nur ein Modellsystem berechnet, kann man sich von gängigen Verfahren lösen. Dies bewies ich mit der Erstellung meines Simulationsmodells, wo ich nach umfangreichen Spezialstudien und reiflichen Überlegungen von der Kontinuumsmechanik und der zugehörigen Mathematik (einer für einige Fälle wunderbaren und ausgereiften Formalsprache, die bei numerischer Lösung leider immer wieder an ihre Grenzen stößt) Abstand nahm und auf die sogenannte diskrete Modelldarstellung (Fachwerk statt Kontinuum) und deren computergestützte Simulation umstieg (das war damals noch unüblich). I had a dream - ich sah bildhaft vor mir, was mich beschäftigte. Mein mehrdimensionales Denken schulte ich, und ich lernte, meine inneren Bilder und Vorstellungen, die wie ein Film vor mir ablaufen, immer präziser und genauer niederzuschreiben. Anfangs half mir meine Frau mit der Schreibmaschine bei der Niederschrift dieser inneren Filmszenen, die auch bei der Erstellung komplexer Gutachten von Bedeutung sind (das Puzzlespiel muß immer vollständig werden).
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Vorbild war mir ein Verwandter in Brasilien, ein Baumeister, der als junger Mann in Österreich kleine Häuser und Stallungen baute. Ihm eiferte ich als junger Mensch nach. Inspirierend wirkten Eminenzen auf dem Stahlbetonsektor auf mich, mit denen ich gerne kritische und fruchtbare Fachgespräche führte und führe. Professor Christian Veder, der Erfinder der Schlitzwand-Bauweise, war ein großer Mentor für mich. Ihm zeigte ich meine Dissertation und trat mit ihm gemeinsam zur Entwicklung von Normen in dem Gebiet der Geotechnik diversen Ausschüssen bei. Professor Schober und Professor Wroth (Cambridge) trugen Versuchstechnikentwicklungen weiter über das Maß hinaus mit. Immer bekam ich Hilfestellungen von Menschen an der vordersten Fachfront wie zum Beispiel von Dr. Stefan Soretz für wasserdichten Stahlbeton (weiße Wannen-Vorläufer bei der U-Bahn Wien) und Klebetechniken mit Epoxidharz für wasserdichten, beweglichen Sohle-Wandanschluß an den Schlitzwänden der U-Bahn Wien. Mein Vater als Musiker und mein Gesangslehrer waren weise Lebensberater.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Selbständig denkend sind Mitarbeiter mit mir durch dick und dünn gegangen. Wir waren ein Orchester, das zusammenspielte. In Ausnahmesituationen, wenn es um Hochsicherheitsfragen ging, handelte ich als Solist. Büroverbünde sind wie ein Organismus zu sehen und zu pflegen.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Hätte sich meine Frau nicht für meine Arbeit interessiert, hätte ich meine umfangreichen wissenschaftlich technischen Entwicklungen und großen Gerichts-Gutachten neben meiner Tätigkeit für die Stadt Wien gar nicht durchgebracht. Meine Frau spielte oft den Part des Advocatus diaboli.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Meinen Studenten empfahl ich immer, die zu berechnende Konstruktion darauf hin anzuschauen, wie sie in einfache Modelle zerlegt werden kann und welche Kräfte auf diese Einzelteile einwirken. Diese Denk- und Sichtweise muß man bis zur absoluten Trittsicherheit des Extremkletterers, also bis ins Unterbewußtsein, perfektionieren. Es ist wichtig, Lernen zu lernen, um schneller und besser zu werden. Dann kommt die gefährliche Phase, weil man sich gut dabei fühlt, Dinge so leicht aufzufassen. Gefährlich ist, wenn man sich selbst sagt: Bin ich gut! - ab diesem Moment wird man nämlich blind, und das, weil man durch Selbstlob den Respekt vor der Arbeit verliert. Respekt, ja Agape, das, was wir Liebe nennen - das ist der Schlüssel zum Glück. Ohne Liebe wird man immer auf die Schnauze fallen. Ausdauer und interne Flexibilität sind wichtige Kriterien, um große Rennen zu bestehen, wie ein Karatemeister muß man Gelassenheit im Kampf zeigen. Tradiertes Wissen ist heutzutage zu wenig. Aus der Naturbeobachtung kann man viel lernen. Es gibt in der Natur den Kampf und das Konkurrenzdenken. Darum gilt: unterschwellige Aggressionen anderer sollten einem nichts anhaben können. Wirkliches Wissen erlangt man, wie mein Vater als Musiker zu sagen pflegte, indem man beherzigt, daß nur zehn bis 20 Prozent Begabung im Leben wichtig sind, den Rest, den macht das Sitzfleisch. Wer sich auf seinen Erfolgslorbeeren ausruht, darf sich nicht wundern, wenn er den Körper voller Stacheln hat! Mache immer gerne und ganz, was auch immer Du zu tun hast!, rate ich jungen Menschen gerne, und ich rate ihnen auch dazu, den Mut aufzubringen, mit Lehrenden über ihre Sorgen zu sprechen. Das Prinzip des Loslassens, des Liebens und des Reagierens auf Aktionen ist umzusetzen, es genügt nicht, sich bloß intellektuell mit diversen Methoden herumzuschlagen. Emotionale Anteilnahme ist weiters Goldes wert. Zu genießen, was einem Kunstwerke aus der Musik, Literatur und Malerei zu sagen haben, macht einen wirklich reich. Es gibt auch keine Zufälle - die Information fällt einem zu, die man gerade notwendig hat.
Ihr Lebensmotto?
Alles ist erlaubt, wenn es einem Menschen und Lebewesen und dem System Welt nicht schadet! Nicht gegen, sondern mit der Natur!