Zum Erfolg von Renate Kattinger
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Für mich bedeutet Erfolg zu sehen, daß sich etwas weiterentwickelt. Ich konnte ja von der Stunde Null beim Engagement der Raiffeisen in Osteuropa mitarbeiten und miterleben, wie nachhaltig erfolgreich sich dieser Geschäftsbereich entwickelte - vom Erhalt der Banklizenz bis zur Gründung einer Niederlassung und weiterer Filialen in vielen Ländern.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ich würde mich als nicht unerfolgreich bezeichnen, da ich in meinem Leben doch einiges erreicht habe. Aber ich sehe mich nicht als rasend erfolgreiche Powerfrau.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ich verfüge über soziale Kompetenz, ich kann mich gut auf unterschiedliche Menschen einstellen und mache das auch sehr gerne. Erfolg braucht außerdem viel Energie. Neben guter Ausbildung und persönlicher Stärken gehört auch ein gewisses Quentchen Glück dazu. Man muß zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und Menschen um sich haben, die einem vertrauen und auch etwas zutrauen.
Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein?
Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob es ein Mann an meiner Stelle leichter gehabt hätte, ich glaube aber nicht, daß ich es schwieriger hatte. Allerdings bin ich der Meinung, daß sich Frauen weniger Fehler erlauben dürfen als Männer.
Ab wann empfanden Sie sich als erfolgreich?
Ich bin seit über 25 Jahren im Unternehmen und hatte das Glück, daß - wann immer ein Aufgabengebiet hätte langweilig werden können - mir eine neue Verantwortung übertragen wurde. Dadurch ergaben sich ständig neue Perspektiven und Herausforderungen, und ich konnte mir so über viele Jahre die Freude am Beruf erhalten. Im großen und ganzen fühlte ich mich aber schon in der Schule erfolgreich, weil ich Spaß am Lernen hatte und eine gute Schülerin war. Trotzdem bin ich mit dem Begriff „erfolgreich“ sehr vorsichtig, weil ich mit mir selbst kritisch bin.
In welcher Situation haben Sie erfolgreich entschieden?
Ich glaube, daß ich in der Auswahl der Mitarbeiter stets recht erfolgreich war.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Dr. Herbert Stepic hat mir in der Raiffeisen irrsinnig viel zugetraut und sehr viel Verantwortung übertragen. Heinz Hödl, der frühere Direktor unseres Hauses, war ebenfalls eine prägende Persönlichkeit, weil er meine soziale Kompetenz unterstützte und mir eine Menge hinsichtlich Mitarbeiterführung beibrachte.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Sie spielen eine essentielle Rolle, ohne Mitarbeiter wäre ein Erfolg in dieser Form nicht möglich.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus?
Das Personalbüro trifft eine Vorselektion puncto fachlicher Qualifikation. Ich achte dann bei einem Bewerber vor allem darauf, ob er in unser Team paßt. Der potentielle Kandidat wird anschließend auch von meinem Team interviewt, da ich auf die Meinung der Mitarbeiter großen Wert lege. Dieses Verfahren hat sich sehr bewährt.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Indem ich versuche, ihnen möglichst viel Zeit zu widmen, und mir ihre Probleme anhöre. Ich lasse den Mitarbeitern viel Freiraum, natürlich unter Einforderung von höchstem Verantwortungsbewußtsein.
Wie werden Sie von Ihren Mitarbeitern gesehen?
Ich werde schon als Chefin gesehen, allerdings nicht hierarchisch abgehoben, sondern als jemand, der die ultimative Verantwortung für diese Abteilung trägt.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Raiffeisen war zu einem Zeitpunkt bereit, nach Osteuropa zu expandieren, als das die anderen Banken noch nicht waren. Wir haben immer versucht, unsere Kunden in die entsprechenden Länder zu begleiten. Dort geht es uns nicht darum, kurzfristig abzukassieren und wieder zu verschwinden, sondern langfristig große Unternehmen aufzubauen und Arbeitsplätze zu schaffen. Unsere Erfolge kommen ja auch der Volkswirtschaft dieser Länder zugute. Wir haben über Jahrzehnte bewiesen, daß wir ein wertvoller und verläßlicher Wirtschaftspartner sind.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Ich bestehe darauf, ein Privatleben zu führen - selbst in den Zeiten größter beruflicher Belastung. Wir bewirten zu Hause gerne Gäste, gehen ins Theater, und ich finde auch Zeit für den Sport. Es ist also machbar, auch wenn es ein gewisses Organisationstalent erfordert.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Junge Leute müssen sich bewußt sein, daß sie einen sehr langen Atem, viel Geduld und Durchhaltevermögen brauchen, um in eine Führungsposition zu gelangen. Soziale Kompetenz ist inzwischen ebenso wichtig wie die fachliche Kompetenz, sonst ist Erfolg auf Dauer nicht möglich.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich hoffe, daß ich weiterhin in einer so wesentlichen Funktion am Erfolg des Unternehmens teilhaben kann.
Ihr Lebensmotto?
Think positive.