Zum Erfolg von Martina Wistermayer
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Der finanzielle Aspekt hat für mich weniger Bedeutung. Ich empfinde es als Erfolg, wenn mir meine Arbeit Freude macht und ich von meiner Boutique leben kann. Jeden Monat sehr viel Geld zu verdienen, aber täglich lustlos oder gar mit Widerwillen im Geschäft zu stehen, wäre kein Erfolg für mich. An dem Tag, wo ich nicht mehr gerne hierher komme, sperre ich zu.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ja, im Sinne meiner Definition sehe ich mich durchaus als erfolgreich. Mein Beruf macht mir Spaß, und ich kann recht gut davon leben. Ich führte früher auch ein zweites Geschäft, das ich aber wieder aufgegeben habe, weil es zu stressig wurde. Darum habe ich auch keine Ambitionen, eine Boutiquenkette oder mehrere Filialen aufzubauen. Ich bin damit zufrieden, wie es ist.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ich bemühe mich um meine Kunden - ihre Zufriedenheit steht an erster Stelle. Daher rede ich auch niemandem etwas ein, das ihm gar nicht steht, nur um mehr Umsatz zu machen. Meine Ehrlichkeit, die gute und faire Beratung, ist sicher eines meiner Erfolgsgeheimnisse. Meine Kunden kommen gerne und immer wieder zu mir, weil sie wissen, daß ich ihnen nichts aufschwatze. Ich habe heute noch etliche Kunden aus meinen ersten Jahren in Wien, die extra zu mir nach Mödling kommen. Ein anderer Erfolgsfaktor ist mein ständig wechselndes Sortiment, um den Kunden immer wieder neue Ware bieten zu können. Natürlich gehe ich auch auf individuelle Wünsche ein und führe, wo es möglich ist, Änderungen durch.
Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein?
In meinem Bereich, der Textil- und Modebranche, habe ich diesbezüglich keine Probleme. Ich habe aber Freundinnen, die in männerdominierten Berufen arbeiten, und von ihnen weiß ich, daß sie es teilweise schon schwerer haben.
Welches Problem scheint Ihnen in Ihrer Branche als ungelöst?
Leider ist die heutige Mode fast ausschließlich auf junge, sehr schlanke und dünne Frauen ausgerichtet. Für Damen mit Konfektionsgröße 44 oder 46 ist es sehr schwer, modische Kleidung zu finden. Ich würde mir wünschen, daß sich die Hersteller nicht auf diese junge Zielgruppe mit Modelmaßen versteifen, sondern auch auf ganz normale oder etwas stärkere Damen Rücksicht nehmen. Ein anderes Problem ist der beinharte Wettbewerb in der Branche. Viele Verkäuferinnen sind am Umsatz beteiligt und reden daher auf Teufel komm raus den Kunden jeden Blödsinn ein. Auch die Meinung, daß Boutiquen teurer sind, ist ein Vorurteil. Ich hatte beispielsweise schon Jacken im Sortiment, die bei einer namhaften Modekette um mehr als den doppelten Preis angeboten wurden. Wie verhalten Sie sich der Konkurrenz gegenüber? Am Anfang war es so, daß mich einige andere Geschäftsleute nicht einmal grüßten - aber damit kann ich leben. Für mich gibt es keine Konkurrenz, nur Mitbewerber. Der Kunde kann ja frei entscheiden, wo er sich besser beraten und freundlicher bedient fühlt.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Mein Beruf ist mein Privatleben. Ich habe Gott sei Dank den passenden Partner gefunden, der für meine Arbeit sehr viel Verständnis hat und mich auch im Haushalt unterstützt. Auch mein Sohn wird langsam immer selbständiger, und wenn alle zusammenhelfen, läßt sich das Leben gut organisieren.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Ich würde mir von der nächsten Generation etwas mehr Menschlichkeit wünschen.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich möchte meinem Sohn eine gute Ausbildung ermöglichen, das ist mir sehr wichtig. Gleichzeitig soll er lernen, daß man für den Erfolg auch arbeiten muß und einem nicht alles in den Schoß fällt. Mein persönliches Ziel ist es, das Geschäft so lange wie möglich mit so viel Freude wie bisher zu führen.
Ihr Lebensmotto?
Mein Motto läßt sich mit einem Wort ausdrücken: Menschlichkeit! Das gilt für den Beruf ebenso wie für den privaten Bereich.