Zur Karriere von Herbert Pichler
Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Ich leide seit meiner Geburt an einer inkompletten Querschnittlähmung. Aufgrund dieser Behinderung besuchte ich von 1971 bis 1980 die Sonderschule in Wien-Mauer, was in meinen Augen eine verlorene Zeit war, weil wir in den meisten Fächern kaum etwas lernten. Danach wäre für mich ein Beschäftigungstherapieplatz mit Taschengeld bei Jugend am Werk vorgesehen gewesen. Stattdessen besuchte ich den Vorbereitungslehrgang für die Handelsschule und absolvierte von 1981 bis 1984 die Handelsschule. Anschließend bekam ich einen Job bei der Wiener Städtischen Versicherung, wo ich Dr. Schmidthaler, meinen künftigen Förderer, kennenlernte. Er war Leiter der Schulungsabteilung und Betriebspsychologe und fragte mich beim Einstellungsgespräch, ob ich mir auch eine Tätigkeit im Außendienst vorstellen könnte. Das war für mich damals aufgrund meiner besonderen Lebensumstände kein Thema. Insgesamt erfüllte mich die Arbeit im Büro bei der Versicherung nicht sehr, weil ich nur Aktendeckel mit Nummern beklebte, Post verteilte, Eingaben machte oder Diktate vom Band schrieb. Wirklich Spaß machte mir nur der Kundenkontakt, der aber nur einen sehr kleinen Teil meiner Tätigkeit ausmachte. Ich ging daher in den Sommermonaten nicht auf Urlaub, damit ich meine KollegInnen in der Kundenbetreuung vertreten durfte. Im Zuge der üblichen Versicherungsausbildung sagte mir dann Dr. Schmidthaler, daß er mich gerne in der Funktion des Organisators der Schulungen sehen würde - und diese Aufgabe hätte mich auch sehr interessiert. Zwei Jahre später bewarb ich mich zu Dr. Schmidthaler in die Bildungsabteilung, was für Unsicherheit sorgte, weil es damals nicht üblich war, daß sich ein offensichtlich behinderter Mensch für eine solche Position interessierte. Herr Dr. Schmidthaler wollte mich aber unbedingt haben, er empfahl mir, als Referent Fachwissen in der Schadensabteilung anzueignen, dann könne ich in fünf Jahren als Trainer und Schulungsorganisator bei ihm anfangen. Bedauerlicherweise mußte er dann seine Zusage auf Anweisung des damaligen Vorstandes zurücknehmen, weil die ganze Situation auch für die Unternehmensführung ungewohnt war. Als eine Art Wiedergutmachung bot mir der Betriebsrat eine Referentenstelle an, die normalerweise nur für Maturanten vorgesehen wäre. Und beim Stichwort Matura hatte ich plötzlich ein klares Ziel vor Augen: Ich wollte maturieren und anschließend Psychologie studieren. Von diesem Studium riet mir Dr. Schmidthaler allerdings ab und empfahl mir Jura, weil ich damit eher etwas in der Gesellschaft (ich war damals ein ewiger Weltverbesserer) verändern oder verbessern könne. Mit Unterstützung meines Rehabilitations-Beraters der PVA, Hannes Michael, welchem ich bis heute dafür sehr dankbar bin, erlangte ich eine Dienstfreistellung vom Innendienst für Weiterbildungszwecke, absolvierte von 1987 bis 1990 die HAK-Matura auf dem zweiten Bildungsweg und studierte anschließend Rechtswissenschaften. Auch wenn ich mir als freiberuflicher Außendienstmitarbeiter bei der Wiener Städtischen etwas dazuverdienen konnte, langte das Stipendium damals nicht aus, um mein Studium zu Ende zu bringen. Nachdem das Jus-Studium sehr trocken war, begann ich 1992 das Studium der Pädagogik, Sonder- und Heilpädagogik und wurde Berater für Soziales für die Bundeszentrale des Österreichischen Zivilinvalidenverbandes. Ab 1996 war ich fünf Jahre lang Bezirksrat im 3. Wiener Gemeindebezirk und übte dort verschiedene Funktionen als Sozial-, Jugend-, Integrations- und Behindertensprecher aus. Seit 2000 bin ich auch Ombudsmann der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation sowie Mitglied im Präsidium und Vorstand. Mein Vorgänger in dieser Funktion, Heinrich Schmid, war mein nächster Förderer, und so kam ich durch ihn als Mentor zur ÖAR. Aufgrund meiner zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten bei verschiedensten Behindertenverbänden wurde ich dann auch in die Gremien diverser Sozialversicherungsanstalten entsandt. Parallel absolvierte ich ab 2000 auch Ausbildungen zum Lebens- und Sozialberater, zum Mediator, Coach, Mental-Lehrtrainer und Outdoor-Trainer. Ende 2002 lernte ich den Gewerkschaftsmitarbeiter René Schindler kennen, der mir kurz darauf anbot, das Büro Chancen nutzen mit aufzubauen. Diese Initiative steckte damals noch in den Kinderschuhen. Dort kam zu René Schindler meine nächste Mentorin ins Spiel, meine Vorgesetzte Mag. Renate Czeskleba, welche meine Fähigkeiten erkannte, mir weitestgehend freie Hand ließ und mich in allen Belangen unterstützte. Ich brachte neue Ideen ein, erweiterte das ursprüngliche Konzept, und binnen kurzer Zeit konnten wir die Erwartungen nicht nur erfüllen, sondern weit übertreffen. Mittlerweile wurde das Büro Chancen nutzen eine Initiative der Sozialpartner, welches höchst erfolgreich ist bei der Durchführung von bisher 843 Betriebsberatungen und 197 Vorträgen vor ca. 7.000 Menschen zum Thema Behinderung, chronische und/oder psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt.