Zur Karriere von Eva Reichel
Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Ich begann nach der Reifeprüfung klassische Philologie zu studieren. Wegen einer Krankheit meiner Mutter war ein weiteres Studium nicht möglich. Obwohl ich die Fächer Latein und Griechisch aus tiefstem Interesse studierte, war ein wesentlicher Grund für mein Studium, daß ich mich in der fünften Klasse in meinen Griechischlehrer verliebt hatte. Mit dieser Ausbildung blieb mir gar keine andere Wahl als Lehrer zu werden. Von dem Moment an, wo mich eine Kollegin in Ihrer Klasse als Lateinlehrerin vorstellte, war alles Wonne und Waschtrog. Die Kinder waren glücklich, ich war glücklich und das Glück dauert bis heute an. Es stellte sich heraus, daß ich den richtigen Beruf gewählt hatte, und es war eine glückliche Fügung, daß ich einen Karenzvertretung bekam und die Kollegin aus der Karenz nicht mehr zurückkehrte. Inzwischen bin ich 33 Dienstjahre an der Schule. Ich begann 1971 am ältesten Mädchengymnasium in Wien VI, Rahlgasse 4, wo ich mit Frau Direktor Hofrat Jacot eine ungemein prägende Direktorin und auch politisch sehr exponierte Frau erlebte. An Frau Jacot erlebte ich den großen Horizont des österreichischen Schulwesens und was pädagogischer Eros heißt. 1978 war ich ein Jahr lang in Karenz und wechselte 1979 wieder mit voller Lehrverpflichtung ans Akademische Gymnasium in Wien I, Beethovenplatz, das gerade für meine Fächer einen sehr guten Ruf genoß. Es waren strapaziöse, arbeitsintensive und sehr schöne Jahre, weil am Akademischen Gymnasium eine sehr zwanglose, lockere Atmosphäre herrschte, ich nahm meine Tochter sogar zu Konferenzen und meine beiden Kinder zu Lehrerfesten im Innenhof mit. Ich hatte Glück oder Unglück, nach meiner Heirat fünf Jahre lang keine Kinder zu bekommen, weil ich dadurch aber Zeit hatte, an die Universität gehen zu können, wo ich wissenschaftliche Literatur sowie didaktische Literatur studieren konnte, was mich beruflich sehr weiterbrachte, wovon ich viele Jahre zehrte, und ich konnte mich auf der ganz gesicherten fachlichen und sachlichen Basis den Hilfen zuwenden, die Lehrer bekommen, nämlich Arbeitsgemeinschaft, Vorträge und Arbeitsgruppen, weil ich mit der fachlichen Seite lange Zeit nicht zu ringen hatte. Etwa 1990 wurde ich vom Stadtschulrat auf eine mögliche Schulleitung angesprochen. Das hat mein Bewußtsein schlagartig verändert, daß ich von meinen Vorgesetzten für direktorabel gehalten wurde. Ich hatte Grund gehabt, mich als guten Lehrer zu empfinden, da viele Schüler in Latein und Griechisch maturieren wollten und auch nach der Matura bei mir Stunden nehmen wollten. Wenn ich ehemalige Schüler oder Lehrer traf, war das immer eine frohe und schöne Begegnung. Aber trotzdem hatte ich das Bedürfnis zu sehen, ob ich noch etwas Neues tun könnte. Ich will bis 65 arbeiten, da ich es nicht anständig empfinde, wenn man gesund ist und nicht verblödet, seine Arbeitskraft der Gemeinschaft zu entziehen. Das ist ein Erbe aus der griechischen Antike. Wie heißt es in der berühmten Rede des Perikles: Bei uns wird einer als Bürger in der Demokratie in Athen nicht danach eingeschätzt, ob er arm oder reich ist, sondern danach, was er zum Gedeihen des Gemeinwesens beiträgt. Und so verstehe ich auch meinen Beamtenstatus, der ja sehr oft angegriffen wird, damit lebe ich ein ganzes Leben lang. Meine Freunde sind fast ausnahmslos keine Beamten. Aber ich habe aus dem geschützten Arbeitsplatz meiner Generation die Verpflichtung der Gemeinschaft gegenüber, mehr zu tun, um auch in Zukunft ruhig schlafen zu können. Ich bewarb mich als Direktor und startete 1992 am Gymnasium Döbling, an dem damals erschreckend wenig Schüler waren. Ein Humanistisches Gymnasium war für mich die Traumschule. Ich wollte mich nicht an einer Schule bewerben, mit deren Profil ich mich nicht vollständig identifizieren konnte. Ich glaube, daß es ein guter Vorschlag war, mich hierher zu beordern, denn es ist eine schöne Erfolgsgeschichte geworden und ich wünsche mir sehr, daß das die Kollegen auch so sehen, denn das Haus war bei meinem Start räumlich und von der Sachausstattung her vollkommen unzulänglich und heute ist es ein auch architektonisch geglücktes Schulhaus. Aber ich würde gerne noch etwas anderes im Staatsdienst machen, müßte allerdings in meinem Alter verrückt sein, den Beamtenstatus aufzugeben. Aber es gibt vieles, was mich auch hier hält, es ist ein sehr schönes Arbeitsklima.