Zur Karriere von Walter Manoschek
Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Ich begann ursprünglich die Lehramtsstudien Sport und Geschichte, mußte diese jedoch aufgrund einer Sportverletzung aufgeben. Also verlegte ich mich Ende der siebziger Jahre auf Politikwissenschaften und Soziologie. Über Beruf und Karriere machte ich mir damals keine großen Gedanken, ich wollte das Doktoratsstudium nur abschließen. Ich schrieb an meiner Dissertation über Austrofaschismus und war damit Mitte der achtziger Jahre auch schon beinahe fertig. Etwa zwei Monate Arbeit wären noch notwendig gewesen, doch plötzlich interessierte mich das Thema nicht mehr. Ich war dann in der Waldheim-Affäre engagiert und begann mich intensiv mit Nationalsozialismus, Judenvernichtung und Wehrmacht auseinanderzusetzen. Ich setzte mir einen Zeitrahmen von drei Jahren, um eine Dissertation zu diesem Thema zu schreiben, den ich auch ziemlich genau einhielt. Meine Doktorarbeit erschien später in einem renommierten Wissenschaftsverlag in der Buchpublikation Serbien ist judenfrei und fand internationale Anerkennung. Bis dahin hatte sich noch niemand mit dieser heiklen Thematik wissenschaftlich beschäftigt. So kurzfristig meine Dissertation noch zu ändern und von neuem zu beginnen war aus heutiger Sicht die absolut richtige Entscheidung. Was mir mein Instinkt sagt, versuche ich mit dem Intellekt umzusetzen. Nach meiner Promotion erhielt ich ein Angebot, mich als Freelancer mit Ministerratsprotokollen aus der Ersten Republik zu befassen. Das war eine recht angenehme, gut bezahlte Arbeit bei freier Zeiteinteilung. Eine universitäre Laufbahn hatte ich keine Sekunde in Betracht gezogen, und als ich eine Anfrage erhielt, ob ich halbtags an der Fakultät für Sozialwissenschaften als Assistent arbeiten möchte, sagte ich sofort ab. Manchmal versagt mein Instinkt leider auch. Nach dieser Spontanentscheidung kamen mir Zweifel, und ich sprach mit einigen Freunden über diese Möglichkeit. Das dabei vorgebrachte Argument Kündigen kannst du ja immer noch erschien mir einleuchtend, und ich rief an der Universität an, daß ich mir die Sache doch überlegt hätte. Es war ziemlich unangenehm, da man nach meiner Absage die Stelle schon jemand anderem zugesagt hatte. Man entschied schließlich zu meinen Gunsten, und so trat ich 1992 die Assistentenstelle mit einem Halbtagsvertrag an - und geriet in die erste existentielle Krise meines Lebens. Da mich der Job überhaupt nicht interessierte, suchte ich nach einem halben Jahr den Vorstand auf und bat ihn um eine andere Aufgabe, wovon er allerdings nicht begeistert war. Zu dieser Zeit erschien meine Dissertation in diesem Buch und wurde von den einschlägigen Fachmedien überaus wohlwollend zur Kenntnis genommen. Ich begann ein Projekt über die österreichische Beteiligung bei der Judenvernichtung in Polen zu entwickeln und reichte es beim Forschungsförderungsfonds ein. Es wurde mir ein Budget bewilligt, ich nahm die Arbeit auf und wußte dann, daß ich am Institut für Staatswissenschaft bleiben möchte. Schließlich erhielt ich ein Angebot, an einer Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung teilzunehmen. Das Thema war „Verbrechen der Wehrmacht“ im Rahmen der 50-Jahr-Feiern zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Geplant war eine ganz kleine Ausstellung im Institut, aber aufgrund des riesigen Erfolges entwickelte sich ein Großprojekt daraus. Es wurde die erfolgreichste zeitgeschichtliche Ausstellung im deutschsprachigen Raum. Sie lief von 1995 bis 1999, wurde in 35 deutschen und österreichischen Städten gezeigt und erreichte eine Million Menschen. Das war mein großer Durchbruch, und seit dieser Zeit bin ich für Journalisten und das Fachpublikum „Mr. Wehrmacht“. Leider sind uns bei einigen Fotos und Texten auch kleine Fehler passiert, die Ausstellung wurde aufgelöst und von einer internationalen Expertenkommission penibel untersucht. Eigentlicher Auslöser war aber ein Politikum, da man nicht wollte, daß die Ausstellung wie geplant in Amerika gezeigt wird. Es war eine furchtbare Zeit, trotzdem brachte ich die Kraft auf, meine Habilitation zu verfassen. Nach einem Jahr kam die Kommission zum Urteil, daß die Ausstellung in den wesentlichen Teilen völlig korrekt war. Wäre das Ergebnis anders ausgefallen, hätte ich mir einen anderen Job gesucht. So aber setzte ich meine universitäre Laufbahn fort, publizierte etliche wissenschaftliche Arbeiten, die sehr viel Beachtung fanden, und wurde 2004 Vorstand des Instituts für Staatswissenschaft.