Zum Erfolg von Rudolf Schicker
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Wenn es mir gelingt, Vorhaben, von denen ich glaube, daß sie sinnvoll und richtig sind, in die Praxis umzusetzen, erachte ich das als persönlichen Erfolg. Wenn meine Ideen und Vorstellungen - zum Beispiel der Zentralbahnhof Wien - Gestalt annehmen, so ist das ein großer Erfolg.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ich vermag sehr gut einzuschätzen, welche Auswirkungen gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen auf die Menschen haben werden. Auf einen einfachen Nenner gebracht: In meiner Funktion muß ich mich in der Gesellschaft, im normalen Leben auskennen. Das ist für einen sozialdemokratischen Politiker ein ganz entscheidender Punkt. Ich treffe meine Entscheidungen, indem ich mich bemühe, die Interessen und Bedürfnisse der Menschen in dieser Stadt wahrzunehmen.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Es ist alles eine Frage der Organisation. Man darf sich von seinem Beruf nicht auffressen lassen und muß auch viele Aufgaben an seine Mitarbeiter delegieren können.
Ab wann empfanden Sie sich als erfolgreich?
Die Sichtweise ändert sich von Jahr zu Jahr, von Funktion zu Funktion. Mit 18 Jahren war es mir beispielsweise wichtiger, die Führerscheinprüfung zu bestehen als die Matura. Sollte es mir in meiner heutigen Funktion nicht gelingen, den Verkehr in Wien einigermaßen erträglich zu organisieren, dann kann ich nicht erfolgreich sein. Wenn ich das Netz öffentlicher Verkehrsmittel weiter ausbaue und die Bürger überzeugen kann, die Straßenbahnen und U-Bahnen verstärkt zu nutzen, bin ich erfolgreich.
In welcher Situation haben Sie erfolgreich entschieden?
Ich darf mit Fug und Recht behaupten, daß das Projekt des Zentralbahnhofes für Wien auf meinem Mist gewachsen ist. Meine Vorgänger wollten sich an diesem heißen Eisen nicht die Finger verbrennen, ich habe mich aber schon als Gemeinderat dafür stark gemacht. Das war sicher eine erfolgreiche Entscheidung, da es für die Stadt wesentlich sinnvoller ist, einen großen Durchgangsbahnhof zu haben als zwei Kopfbahnhöfe. Das Projekt ist inzwischen so weit gediehen, daß es meiner Meinung nach nicht mehr von den Schienen zu holen ist.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Meine politische Stoßrichtung war mit Sicherheit sehr stark vom Elternhaus mitgeprägt. Auch die Jahre unter Bruno Kreisky waren prägend und hochinteressant für mich. In fachlicher Hinsicht war am ehesten Prof. Egon Matzner, Professor für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik an der TU Wien, eine wichtige Persönlichkeit für mich.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus?
Kommunikationsfähigkeit, Gespür für politische Zusammenhänge und die Bereitschaft, das, was man nicht weiß, in Erfahrung zu bringen, sind für mich die wesentlichsten Entscheidungskriterien.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Ich glaube, daß die Mitarbeiter bei uns einen sehr spannenden Job vorfinden. Darüber hinaus kann die Verwaltung der Stadt Wien etwas bieten, was es in der Privatwirtschaft nicht mehr gibt - nämlich eine gewisse Sicherheit des Arbeitsplatzes.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Da unsere Töchter bereits erwachsen sind und ihre Studien abgeschlossen haben, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben relativ einfach. Meine Frau ist in der Bezirkspolitik tätig und weiß daher um den Einsatz und die Anforderungen, die mit einem politischen Amt verbunden sind. Trotzdem achte ich darauf, daß das Familienleben nicht zu kurz kommt. Das ist mir sehr wichtig.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Der entscheidende Punkt ist, sich schon während des Studiums eine hohe Qualifikation anzueignen, die eine gewisse Alleinstellung ermöglicht. Es hat keinen Sinn, ein Studium mehr schlecht als recht über die Bühne zu bringen und dann zu glauben, daß der akademische Titel die Eintrittskarte für eine erfolgreiche Karriere ist. Diese Zeiten sind vorbei. Heute muß man sich schon als Student innerhalb seines Faches einen Namen machen und sich ein Netzwerk aufbauen. Außerdem wird man ohne Solidarität, ohne Zusammenhalt, ohne Definition von breiteren Zielen relativ bald erkennen, daß man nicht mehr gebraucht wird.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich hoffe, daß wir wichtige Projekte, die bisher verhindert wurden, endlich durchsetzen können - beispielsweise die Gesamtschule, eine bessere Infrastrukturpolitik und eine Integrationspolitik, welche die Probleme aktiv anpackt.
Ihr Lebensmotto?
In Bertolt Brechts Dreigroschenoper heißt es: Ja, mach nur einen Plan. Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan - geh'n tun sie beide nicht. Das ist für einen Planungsstadtrat eine entscheidende Philosophie - zu wissen, daß das, was man plant, eher selten umgesetzt wird.